• Wunschkonzert: Kunden können neben ABS, Traktionskontrolle oder ESP so viele Funktionen einbauen, wie das Fahrzeug braucht. Dazu zählt etwa Brake Blending, also das Zusammenspiel von Betriebsbremse, Retarder und Abgasklappen. Oder die Fähigkeit des Bremssystems, allein zu lenken. Oder die Anfahrhilfe am Berg und die automatische Aktivierung der Bremse bei geöffneter Kabinen- oder Bustür.

Neue Bremssteuerung GSBC: intelligente Technik für das automatisierte Fahren von morgen.

Ein internationales Team aus rund 100 Ingenieurinnen und Ingenieuren arbeitet bei Knorr-Bremse am Großprojekt einer neuen Bremssteuerung für Lkw. Das Ergebnis: die Global Scalable Brake Control (GSBC). Sie lässt sich nicht nur perfekt auf verschiedenste Kundenanforderungen abstimmen; sie bereitet gleichzeitig auch den Weg für das automatisierte Fahren.

„Niemand kann bis ins Detail in die Zukunft sehen, aber man kann sich auf bestimmte Szenarien sehr gut vorbereiten“, erklärt Dr. Patrick Mattes, Leiter des Center of Competence Brake Control Truck. “Das ist für alle Lkw-Hersteller eine große Herausforderung bei der Entwicklung ihrer neuen Modelle.“ Schließlich wollen sie ihre Baureihen etwa zehn Jahre produzieren, ohne an der Architektur gravierendere Änderungen vornehmen zu müssen. Es ist also von Vorteil, wenn sie ihre Fahrzeuge für die kommenden Systeme schon so gut wie möglich vorbereiten.

Das Entscheidende ist, dass die GSBC die Grundlage für das kommende automatisierte Fahren bildet. Wenn es soweit ist, müssen die Hersteller das Systemlayout des Fahrzeugs nicht mehr ändern, sondern können einfach die entsprechenden Komponenten einsetzen.

Dr. Patrick Mattes – Leiter des Center of Competence Brake Control Truck

Eine Bremssteuerung für verschiedene Systeme

Mit der neuen Bremssteuerung GSBC, der Global Scalable Brake Control, leistet Knorr-Bremse hier einen entscheidenden Beitrag. „Wir sind Vorreiter bei den Systemen für automatisiertes Fahren“, sagt Frank Schwab, der die Technik der GSBC verantwortet. „Unsere neue Bremssteuerung lässt sich einfacher in das Zusammenspiel unterschiedlicher Fahrzeugsysteme einbinden und spart dem Hersteller viel Aufwand bei der Applikation und Montage im Fahrwerk.“

Die Weiterentwicklung der Lkw-Bremssteuerung ist eines der großen internationalen Projekte im Unternehmen. Rund 100 Köpfe zählen die verschiedenen Teams, die seit 2016 weltweit an der GSBC arbeiten. „Jetzt kommen wir in die entscheidenden Projektphasen“, bekräftigt Szabolcs Megyeri, Projektleiter GSBC. „Das Pilotprojekt ist mit der Traton-Gruppe, die aus den Marken VW, MAN und Scania besteht, für Ende 2021 geplant.“

Übergreifende Zusammenarbeit

Neben dem Kernteam am deutschen Standort Schwieberdingen kümmern sich Experten in Ungarn um viele Details, ebenso in Indien. Patrick Mattes hebt auch die Zusammenarbeit mit den Kollegen von Bendix in den USA hervor, die schon am nächsten GSBC-Projekt mit Volvo arbeiten. „Die Projektarbeit zwischen Europa und Nordamerika klappt hervorragend.“

Was tut die Bremssteuerung GSBC eigentlich?

Worum geht es bei der GSBC genau? Jan Mayer, Director Program Management Brake Control, erklärt zunächst die Basisaufgabe einer Bremssteuerung. „Der Fahrer tritt aufs Bremspedal, elektronische Signale sagen der Bremssteuerung, dass sie bereitgestellte Druckluft durch die Leitungen zu den Bremszangen schickt, die dann die Bremsscheiben packen. Dieser Vorgang ist in Wahrheit natürlich eine hochkomplexe Angelegenheit mit vielen Sensoren, Aktuatoren und Steuerelementen, um ein Nutzfahrzeug in allen Lebenslagen sicher zum Stehen zu bringen.“

Momentan übernimmt diese Aufgabe das elektronische Bremssystem EBS, das viele verschiedene Funktionen vereint. Die kommende neue Generation der Bremssteuerung, die GSBC, ist eine direkte Weiterentwicklung des aktuellen EBS 7 und dem Antiblockiersystem (ABS) 8 und vereint die beiden bislang getrennten Systemwelten miteinander.

Szabolcs Megyeri hebt die Besonderheit des Konzepts hervor: „Die GSBC ist kein einzelnes Gerät, sondern besteht aus vielen einzelnen Komponenten.“ Neben dem Steuergerät kann der Hersteller verschiedene Aktuatoren, Sensoren und Modulatoren aus dem neuen Baukasten einbauen, je nachdem, welche Funktionen er braucht. „Das ist ein Riesenvorteil der GSBC. Sie ist für verschiedene Fahrzeuge und Märkte skalierbar.“ So können Lkw-Hersteller durch entsprechende Kombinationsvarianten alle gewünschten Funktionalitäten von EBS und ABS abbilden.

Ein modularer Baukasten namens GSBC: Die kommende neue Generation der Bremssteuerung vereint bislang getrennte Systemwelten.

Der Kunde spart Geld

Ein weiterer Vorteil für die Hersteller ist die Platzierung des Steuergeräts im Lkw unten am Rahmen, statt wie in Vorgängerprodukten in der Kabine. Zudem verringert sich die Zahl der einzelnen Komponenten. „Zum Beispiel ist der so genannte Gierratensensor, der Schleudergefahr erkennt, nun im Steuergerät integriert“, sagt Frank Schwab. „Damit braucht er keine extra verlegten Kabel und Stecker mehr.“ Auch die anderen Montagepositionen, Kabelverläufe und Pneumatikleitungen sind vereinfacht und standardisiert, was einen geringeren Anpassungsaufwand bedeutet – unabhängig davon, ob es um ein Standard-ABS-System geht oder um ein EBS mit vielen Zusatzfunktionen.

Neben weniger Komponenten und damit weniger Kosten steigert die GSBC dank neuer Microcontroller die Performance mit noch schnelleren Reaktionszeiten.

Zukunft für Lkw: Das automatisierte Fahren

Das Entscheidende ist für Patrick Mattes jedoch, dass die GSBC die Grundlage für das kommende automatisierte Fahren bildet. „Wenn es soweit ist, müssen die Hersteller die Architektur des Fahrzeugs, das Systemlayout, nicht mehr ändern, sondern können einfach die entsprechenden Komponenten einsetzen.“

Dabei blickt das gesamte Team mit Kolleginnen und Kollegen aus Europa und Nordamerika schon weit in die Zukunft. Jan Mayer erklärt, dass die Folgegeneration der GSBC weitere Komponenten zu mechatronischen Einheiten zusammenzieht. „Die höhere Integration bedeutet weitere Einsparung beim Kunden. Die Serienreife planen wir für Ende 2023.“ Parallel dazu startet die nächste Ausbaustufe, die rGSBC. „Damit sind wir bei der Grundlage für das automatisierte Fahren“, sagt Mayer. Das „r“ stehe für Redundanz, also die Möglichkeit, beim Ausfall eines Systems nahtlos auf ein Ersatzsystem umzuschalten. In die rGSBC wird auch der Truck Motion Controller integriert werden, eine Art Betriebssystem, das mithilfe zusätzlicher Sensoren wie Kameras, Lidar- und Radar- Systemen das Fahrzeug steuern kann.

Ein Produkt für alle Lkw-Märkte

Das Interesse der Kunden sei jetzt schon sehr groß, berichtet die GSBC-Führungsmannschaft. „Auf der Teststrecke in Boxberg und auch bei der Wintererprobung im schwedischen Arjeplog begrüßen wir viele Manager internationaler Lkw-Hersteller.“ Sie sind sehr an einer effizienten Lösung interessiert, bei der sie in einigen Jahren auf rGSBC umstellen können, ohne am Fahrzeug etwas neu konstruieren zu müssen.

Das Kernteam in Schwieberdingen sieht großes Potenzial. „GSBC ist eine globale Plattform, mit der Knorr-Bremse an den Transportlösungen der Zukunft partizipieren und hierfür einen wichtigen Beitrag leisten kann.“

Eine besondere Rolle nimmt das deutsche Werk in Aldersbach als Vorreiter für die Produktion der verschiedenen Komponenten ein. „Anschließend produzieren wir weltweit, in Nord- und Südamerika, in Europa, in Indien und in China. Auch deshalb trägt die GSBC ‚Global‘ in ihrem Namen.“

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