• Hasse & Wrede setzt in der Produktion intelligente Industrieroboter ein. Die erste Produktionszelle startete ihre Serienfertigung Anfang 2020 und produziert bis zu 300 Dämpfer pro Schicht.

  • In den integrierten Anlagen durchlaufen die Dämpfer ihren Produktionsprozess. Das bedeutet, sie werden verschweißt, auf Dichtigkeit und Freilauf geprüft, mit Silikonöl befüllt und palettiert.

  • In jeder der neuen Produktionszellen arbeiten auch künftig noch Menschen, deren Aufgabe neben der Einrichtung und Betreuung der Zelle vor allem die Montage, das Markieren und Verschließen sowie die visuelle Inspektion der Dämpfer ist.

Industrieroboter im Einsatz: Hasse & Wrede treibt Automatisierung voran.

Die Knorr-Bremse-Tochter Hasse & Wrede in Berlin setzt seit mittlerweile zwei Jahren Roboter ein, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Produktion von Visko-Drehschwingungsdämpfern unterstützen. Geschäftsführer Markus Mali über die Gründe der Automatisierung, die positiven Folgen für die Beschäftigten und die Zukunftschancen der Industrie 4.0.

Markus Mali, seit 2007 bei der Knorr-Bremse Tochter Hasse & Wrede in Berlin, übernahm 2020 die Geschäftsführung des Unternehmens.

Herr Mali, Hasse & Wrede stellt Drehschwingungsdämpfer her – was ist das und wozu braucht man dieses eher ungewöhnliche Produkt überhaupt?

Tatsächlich kennen die wenigsten Menschen unsere Produkte. Dabei stecken Drehschwingungsdämpfer in vielen Millionen Antrieben weltweit. Durch die Reduzierung der an der Kurbelwelle auftretenden Drehschwingungen sorgen sie für einen sicheren und dauerhaften Betrieb des Motors. Hasse & Wrede ist im Bereich der Drehschwingungsdämpfer Technologie- und Weltmarktführer. Etwa die Hälfte unseres Geschäfts bilden Dämpfer für sogenannte On-Highway-Anwendungen, d.h. Motore für Nutzfahrzeuge und PKW. Die zweite Hälfte besteht aus Dämpfern für Off-Highway- und Industrieanwendungen, also für alles was nicht auf der Straße fährt. Dazu gehören beispielsweise Anlagen zur Energieerzeugung, Bau- und Agrarfahrzeuge, aber auch Schiffe.

Ein besonders prominentes Beispiel ist hier das deutsche Südpol-Expeditionsschiff „Polarstern“. Erzählen Sie uns etwas darüber.

Hasse & Wrede hat Ende 2020 zwei der vier Viskosedrehschwingungsdämpfer, die in den Schiffsmotoren der „FS Polarstern“ verbaut sind, komplett überarbeitet. Der Schiffsantrieb soll schließlich den extremen Bedingungen in der Antarktis standhalten. Um das zu gewährleisten, haben wir die beiden Dämpfer zwei Wochen lang in unserem Berliner Werk gewartet. Dieser Auftrag war uns eine ganz besondere Freude und Ehre zugleich. (Magazinartikel: "Extremlogistik im ewigen Eis" )

Bisher kennen nur die wenigsten Menschen Drehschwingungsdämpfer. Dabei stecken sie vielen Millionen Antrieben weltweit. Denn jeder Motor muss die mit seinem Betrieb verbundenen Vibrationen reduzieren. Hasse & Wrede ist mit seinen Drehschwingungsdämpfern Weltmarktführer.

Wie laufen die Geschäfte von Hasse & Wrede insgesamt?

Wir haben die Zeit seit Ausbruch der Pandemie trotz aller Widrigkeiten gut überstanden und konnten von einem stabilen Off-Highway-Markt profitieren. Auch aktuell ist unsere wirtschaftliche Lage sehr erfreulich: Die Auftragsbücher sind voll und das Auftragsvolumen ist inzwischen wieder so hoch wie vor der Covid-19-Krise. Wir hätten sogar noch mehr zu tun, wenn unsere Truck-Kunden über genügend Micro-Controller für ihre Fahrzeuge verfügen würden. Doch die sind wegen der anhaltenden globalen Chip-Krise derzeit immer noch Mangelware. Der weltweite Bedarf nach unseren Schwingungsdämpfern ist nach wie vor unvermindert hoch.

Welches Thema beschäftigt Sie gerade besonders intensiv?

Ganz klar die Teilautomation unserer Produktion in Berlin. Das ist im Moment eine unserer strategischen Kernaufgaben. Wir konnten dieses ehrgeizige Projekt in Angriff nehmen, weil die Knorr-Bremse Systeme für Nutzfahrzeuge GmbH (SfN) im Jahr 2017 entschieden hat, den Standort Berlin zu erhalten und zu modernisieren. Für mich war und ist das ein wichtiger Beleg dafür, dass wettbewerbsfähige industrielle Produktion auch zukünftig in einem Land wie Deutschland möglich sein wird, wenn wir gleichzeitig in die notwendige Automation und Digitalisierung unserer Anlagen investieren. Ein solches Investitionspaket dürfen wir hier in Berlin realisieren.

Was wurde bei Hasse & Wrede in Berlin modernisiert bzw. automatisiert?

Wir sind dabei, teilautomatisierte Produktionszellen zu schaffen. Jede dieser Zellen ist ein abgetrennter Bereich, in dem ein Industrieroboter Werkstücke den um ihn herum angeordneten Anlagen zuführt und entnimmt. In den integrierten Anlagen durchlaufen die Dämpfer ihren Produktionsprozess. Das bedeutet, sie werden verschweißt, auf Dichtigkeit und Freilauf geprüft, mit Silikonöl befüllt und palettiert. In jeder dieser Zellen arbeiten auch künftig noch Menschen, deren Aufgabe neben der Einrichtung und Betreuung der Zelle vor allem die Montage, das Markieren und Verschließen sowie die visuelle Inspektion der Dämpfer ist. Unsere erste Produktionszelle hat ihre Serienfertigung Anfang 2020 gestartet und produziert bis zu 300 Dämpfer pro Schicht. Inzwischen betreiben wir in Berlin zwei dieser Zellen, eine dritte befindet sich gerade im Aufbau.

Die neuen automatisierten Fertigungszellen ermöglichen Prozesssicherheit und Qualitätssicherung auf höchstem Niveau.

Ein Sechs-Achs-Roboter wird auf einer siebten angetriebenen Achse mit Doppel-Vakuum-Greifer-System eingesetzt.

Alle neuen automatisierten Fertigungszellen wurden mit FANUC-Robotern der neuesten Generation ausgestattet.

Bereits der dritte Handlingsroboter steht kurz vor der Einführung in den Serienbetrieb.

Alle 90 Sekunden wird in der neuen automatisierten Fertigungszelle ein Drehschwingungsdämpfer fertiggestellt.

Seit 2003 ist Hasse & Wrede 100%ige Tochtergesellschaft der Knorr-Bremse AG.

Was bedeutet diese Automatisierung für die Mitarbeitenden in der Produktion?

Die neuen Roboter übernehmen aufwändige manuelle Prozesse, verbessern so die Arbeitsergonomie und erleichtern den Menschen ihre tägliche Arbeit. Unsere Mitarbeitenden müssen deutlich weniger schwere Lasten heben und transportieren. Außerdem reduzieren die Roboter Gefährdungsquellen in der Produktion. Während der Roboter in seiner Zelle arbeitet, darf sich dort niemand aufhalten – ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin bestückt und kontrolliert den Prozess an einem Arbeitsplatz außerhalb der Zelle. Das ist eine erhebliche Verbesserung im Vergleich zur früheren Situation: Bis vor kurzem mussten bis zu drei Mitarbeitende in einer vergleichbaren manuellen Linie die körperlich anstrengende Arbeit erledigen, die jetzt eine Maschine übernimmt. Darüber hinaus bringt uns die Automation insgesamt erhebliche Vorteile in den Bereichen Sicherheit, Kosten und Qualität.

Heißt das, dass Hasse & Wrede bald überall in der Kernproduktion mit Maschinen arbeiten wird?

Nein. Wir werden in vielen Produktionsbereichen auch weiterhin aus unterschiedlichen guten Gründen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einsetzen. Sie leisten dort nach wie vor bessere Arbeit als jede Maschine. So etwa beim Montieren der Komponenten und beim Prüfen der geschweißten Dämpfer. Kein System findet auch kleinste Schweißnahtfehler so zuverlässig und genau wie unsere erfahrenen Mitarbeitenden – und zwar zusätzlich zu den ohnehin vorhandenen technischen Überprüfungen. Mein Fazit lautet daher: Der Mensch ist auch in der modernen Industriewelt unerlässlich und bleibt ein zentraler Bestandteil der Produktion.

Wie verändert sich die Arbeit für die Menschen in der Produktion durch die zunehmende Automatisierung?

Sie wird körperlich zwar weniger anstrengend, dafür aber anspruchsvoller. Wir benötigen in unserer Produktion immer mehr Mitarbeitende, die Maschinen kontrollieren, überwachen und kleinere Fehler selbst beheben können. Zusätzlich benötigen wir sogenannte Prozesstechniker – das sind Produktionsmitarbeitende, die speziell geschult sind und Verantwortung für einen Prozessbereich übernehmen. Dies eröffnet zusätzliche Chancen für alle, die bei uns am Standort sich weiterbilden wollen. Wir unterstützen unsere Mitarbeitenden dabei, sich für neue Aufgaben zu qualifizieren und intensivieren parallel unser Aus- und Weiterbildungsprogramm.

In der Produktion bei Hasse & Wrede werden durch die Teilautomatisierung mehr Mitarbeitende benötigt, die Maschinen kontrollieren, überwachen und kleinere Fehler selbst beheben können. Dies eröffnet zusätzliche Chancen für alle, die sich am Berliner Standort weiterbilden wollen. Hasse & Wrede unterstützt seine Mitarbeitenden intensiv dabei, sich für neue Aufgaben zu qualifizieren.

Wie schwierig war es für einen traditionellen Hersteller wie Hasse & Wrede, diese Automatisierungsschritte umzusetzen?

Für unser Unternehmen war das eine enorme Herausforderung. Hasse & Wrede kommt aus einer manuellen und mechanisch geprägten, nicht-digitalen Fertigung. Aber wir haben uns rechtzeitig dazu entschlossen, die Transformation zu einer wesentlich stärker automatisierten Produktion einzuleiten. Durch unsere neuen Produktionszellen sind wir in unserer Branche weltweit die ersten, die Drehschwingungsdämpfer mit diesem Automationsgrad herstellen. Das hilft uns, den Standort Berlin nachhaltig zu sichern, unseren Know-how-Vorsprung zu festigen und langfristig konkurrenzfähig zu bleiben. Das technische Wissen für die Automatisierung mussten wir uns natürlich erst aneignen, konnten hierbei aber auf eine Menge Unterstützung aus dem Mutterkonzern bauen.

„Industrie 4.0“ ist ein großes Thema für alle produzierenden Unternehmen: Fabriken sollen sich weitgehend selbst organisieren und Maschinen miteinander kommunizieren. Wie würden Sie in diesem Kontext die Automatisierung bei Hasse & Wrede einordnen?

Unsere Automatisierungsanstrengungen bedeuten für Hasse & Wrede einen wichtigen Schritt in Richtung „Industrie 4.0“. In diesem Zuge haben wir auch damit begonnen, unsere Anlagen untereinander zu vernetzen und in ein Produktionsleitsystem einzubinden. Dies geschieht auf der Basis von PTC ThingWorx, einer IoT(Internet of Things)-Plattform, die mit Unterstützung des zentralen Industrial Engineering der SfN derzeit in mehreren Pilotprojekten im Unternehmen ausgerollt wird. Das alles eröffnet uns die Möglichkeit, unsere Produktionsabläufe und Prozessparameter in Zukunft besser zu verstehen, weiter zu optimieren und unerwünschte Verlustzeiten zu reduzieren. Das Werk Berlin ist hierbei Vorreiter im Bereich der Drehschwingungsdämpferproduktion innerhalb des Knorr-Bremse-Konzerns. Unsere Produktionsstätten in Asien sowie Nord- und Südamerika werden hiervon selbstverständlich profitieren.

Hasse & Wrede

Hasse & Wrede feiert 2022 sein 125-jähriges Firmenjubiläum

  • Hasse & Wrede entwickelt, produziert und vertreibt Viskosedrehschwingungsdämpfer (kurz: Visko-Dämpfer) für Nutzfahrzeuge, Pkw, Schiffe und Industrieanwendungen.
  • Das Unternehmen produziert in Berlin sowie an Standorten in Nord- und Südamerika und Asien.
  • In Berlin arbeiten insgesamt ca. 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
  • Das Traditionsunternehmen Hasse & Wrede wurde 1897 von Carl Hasse und Julius Wrede gegründet und steht seit 125 Jahren für hohe Innovationskraft und technologischen Fortschritt.
  • Hasse & Wrede gehört seit 1921 zum Knorr-Bremse Konzern und blickt somit auf nunmehr ein Jahrhundert als Knorr-Bremse Tochter zurück.
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