
Im Wettstreit zwischen Schiene und Straße
Arbeit und Brot versprach Hitler den Wählern in einer Rundfunkrede zwei Tage nach seiner Ernennung zum Reichskanzler, und es war tatsächlich der überraschende Erfolg staatlicher Arbeitsbeschaffungsprogramme, der seinem Regime die größte Zustimmung verschaffen sollte. Ohne zwangsläufig dem Nationalsozialismus politisch nahezustehen, setzten auch viele Unternehmer große Hoffnungen auf den »kaum für möglich gehaltenen Umschwung in der Entwicklung der Wirtschaft«, den der Vorstand der Knorr-Bremse AG in seinem Geschäftsbericht genau datierte: »Diesen Einschnitt stellt der 30. Januar 1933 dar.«
Das Unternehmen hatte zunehmende Auftragseingänge zu verzeichnen und konnte wieder fortgesetzt Neueinstellungen vornehmen, denn die Verkehrswirtschaft wurde von dem Umschwung in besonderem Maße erfaßt. Der Bau der Reichsautobahnen war das am effektvollsten inszenierte Arbeitsbeschaffungsprogramm des neuen Regimes. Er machte zugleich deutlich, daß Hitler im Kraftwagen das Verkehrsmittel der Zukunft sah und ihm sowohl in ziviler wie auch in militärischer Hinsicht den Vorzug vor der Eisenbahn gab.
Der spürbare Aufschwung, mit dem das »Dritte Reich« begann, zog für die Knorr-Bremse AG daher sogleich eine kräftige Verschiebung der Absatzschwerpunkte nach sich. Die Reichsbahn, ihr weitaus bedeutendster Abnehmer, wurde mit dem Bau der Autobahnen beauftragt und übernahm auch Entwicklungsaufgaben im Kraftfahrzeugbau. Sie begann konsequent den eigenen Kraftfahrzeugdienst auszuweiten, nahm auch den Omnibusverkehr auf und wurde zu einem der größten Nutzfahrzeugbetreiber in Deutschland. Allein im Jahr 1934 nahm sie 1.000 Lastkraftwagen mit Knorr-Druckluftbremsen neu in Betrieb. Damit verhalf die Reichsbahn der Drucklufttechnik auch im Straßenverkehr zum Durchbruch, und die Knorr-Bremse AG konnte ihre Stellung auch im Bereich der Nutzfahrzeugbremse unter ständiger technischer Weiterentwicklung rasch ausbauen.
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Quellenangabe zum Inhalt dieser Seite
Anlässlich des 100jährigen Firmenjubiläums im Jahr 2005 wurde die Geschichte der Knorr-Bremse AG in einem eigenen Buch zusammengetragen und veröffentlicht. Der Titel des Buchs lautet "Sicherheit auf Schiene und Strasse"; es wurde von Manfred Pohl verfasst. In diesem Buch wurde auch ein Kapitel der Knorr-Bremse Vergangenheit zwischen 1933 und 1945, der Zeit des Dritten Reichs, gewidmet (S.91 bis S. 114). Der Inhalt auf dieser Seite unserer Website entstammt diesem Kapitel; das angehängte PDF ist ein Scan der Originalseiten im Buch.

Knorr-Bremse im Dritten Reich
Der Trend zu immer schnelleren und schwereren Fahrzeugen mit bis zu 36 t Nutzlast verhalf der Druckluftbremse schließlich auch bei anderen Fahrzeugbetreibern endgültig zum Durchbruch. 1937 lieferte Knorr-Bremse bereits rund 22.000 Kraftfahrzeug-Bremsausrüstungen für motorisierte Nutzfahrzeuge und etwa 11.000 Ausrüstungen für Anhänger. Inzwischen wurden rund 80 % aller in Deutschland auf den Markt kommenden Lastzüge mit Knorr-Druckluftbremsen ausgerüstet.
Auch das Reparaturgeschäft und der nachträgliche Einbau von Druckluftbremsen wurden jetzt zielstrebig ausgeweitet. Ende 1936 wurde mit der Einrichtung von Knorr-Bremsendiensten begonnen und ein Ersatzteil-Hauptlager in Frankfurt am Main eingerichtet. Zwei Jahre später gab es bereits 200 Vertragswerkstätten in Deutschland. Als sich beim Automobil die Hydraulikbremse durchzusetzen begann, wollte man bei Knorr-Bremse allerdings nicht »den amerikanischen Spuren folgen«, wie es 1936 hieß, und schloß sich dieser Entwicklung nicht an. Es blieb bei einer kombinierten Druckluft-Öldruck-Bremse, in der die Knorr-Drucklufttechnik zusammen mit Baugruppen des Hydraulik-Spezialisten Alfred Teves (ATE) und von Krupp zm Einsatz kam. Hydraulik kam bei Knorr-Bremse lediglich in einer Öldruck-Handbremse für Schienenfahrzeuge zur Anwendung.
Im Verlauf der stürmischen Expansion im Nutzfahrzeugbereich stieg der Umsatz der Abteilung III für Autobremsen aber ab 933 binnen vier Jahren auf das 14fache. Sie machte damit im Jahr 1937 mit 11,9 Mio. RM sogar mehr Umsatz als die Abteilung I für Vollbahnen, de unter der anhaltenden »Bestellmüdigkeit der Reichsbahn« im Schienenfahrzeugbereich litt, wie es 1936 im Geschäftsbericht für das Vorjahr hieß.
Mit einem Vermögen von 23 Mrd. RM und der Vergabe von Aufträgen im Wert von jährlich über einer Milliarde RM war die Reichsbahn nach wie vor das »größte Unternehmen der Welt«, und sie blieb auch für die Schienensparte ein ganz und gar unverzichtbarer Auftraggeber. Knorr-Bremse hatte sich frühzeitig auf die neuen technischen Herausforderungen an den Schienenverkehr eingestellt, die sich mit der Konkurrenz von Auto und Flugzeug seit den 1920er Jahren ankündigten. Ergebnis war nicht nur die Entwicklung der Hildebrand-Knorr-Bremse, die bereits wenige Jahre nach Abschluß der Einführung der Kunze-Knorr-Bremse einen neuen Standard im Vollbahnbereich setzte.
Das Unternehmen griff darüber hinaus auch weitere Entwicklungen im Hochgeschwindigkeitsbereich auf. Eine Verbesserung gegenüber der klassischen Übertragung der Bremskraft auf die Lauffläche der Räder versprach die Belagbremse. Zwischen den möglichen Varianten der Scheibenbremse und der Trommelbremse entschied sich Knorr-Bremse für die letztere, die sie bereits als Straßenbahnbremse erfolgreich zum Einsatz gebracht hatte. Auch das Prinzip einer Bremse, deren Wirkung von dem äußerst geringen Haftwert zwischen Rad und Schiene unabhängig ist, wurde jetzt für den Hochgeschwindigkeitsbereich nutzbar gemacht.
Die Knorr-Bremse AG übernahm Anfang der 1930er Jahre die Firma Jores & Müller und gliederte sie ihrer Abteilung II ein, die neben Straßen- und Kleinbahnen inzwischen auch Triebzüge ausrüstete. Der kleine Spezialbetrieb befaßte sich mit dem Bau elektromagnetischer Schienenbremsen, deren Wirkung darauf beruht, daß Magnetschuhe auf den Schienenkopf herabgelassen werden und sich auf ihm »festsaugen«. Auch die Magnetschienenbremse hatte sich bereits im Straßenbahnbetrieb bewährt. Zu den Referenzen der Firma Jores & Müller, die als Bestandteil der Knorr-Bremse AG ihren Namen bis 1944 bibehielt, zählte aber auch die Ausrüstung des sagenumwobenen Schienenzeppelins, der mittes Luftschraubenantrieb am 21. Juni 1931 bei einer Versuchsfahrt zwischen Berlin und Haburg eine Geschwindigkeit von 230 km/h erreichte. Er kam wegen vieler Anfälligkeiten nicht über das Versuchsstadium hinaus, zeugte aber von der Entschlossenheit der Reichsbahn, ihre Zukunft in der Steigerung der Transportgeschwindigkeit zu suchen.
In der zunehmenden Konkurrenz mit der Straße versuchte sich die Reichsbahn als der eigentlich moderne und schnelle Verkehrsträger zu profilieren. Die Geschwindigkeit der Güterzüge war deutlich angestiegen, und bereits zu Beginn der 1930er Jahre wurde die Fahrgeschwindigkeit auf einer Reihe von Schnellzugstrecken erhöht.


Als sich die Reichsbahn dem Betrieb von Schnelltriebwagen zuwandte, entwickelte Jores & Müller eine Magnetschienenbremse für das neue Zugsystem. Die neue Bremse wurde als Zusatzbremse für die Schnelltriebwagen der Deutschen Reichsbahn eingeführt und kam dabei zuerst im legendären »Fliegenden Hamburger« zum Einsatz. Der »Fliegende Hamburger«, der mit dieselelektrischen Schnelltriebwagen ab dem 15. Mai 1933 zwischen Berlin und Hamburg mit einer fahrplanmäßigen Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h verkehrte, erregte weltweit Aufsehen. Dieser Zug, bei dessen Realisierung die Reichsbahn der aufwendigen Bremsausrüstung besondere Beachtung schenkte, war über Wochen im voraus ausgebucht. Auch die 1931 entwickelte Hildebrand-Knorr-Bremse kam im »Fliegenden Hamburger« zum Einsatz.
Die bei Knorr-Bremse in außerordentlich kurzer Zeit entwickelten Bremssysteme für Hochgeschwindigkeitszüge erzielten zwar keine hohen Umsätze, verhalfen der Reichsbahn aber zu international beachteten Erfolgen und bestätigten damit die Funktion der Knorr-Bremse AG als Entwicklungspartner des nach wie vor größten und technisch anspruchsvollsten Eisenbahnbetreibers des europäischen Kontinents.

Auch für die ständig wachsenden Mobilitätsansprüche der Großstadt wurden in Zusammenarbeit mit der Reichsbahn neue Lösungen gefunden. Die Berliner S-Bahn, die als die weltweit modernste ihrer Art galt, wurde mit elektrisch gesteuerten Druckluftbremsen, Motorluftpumpen und Druckluft-Türschließvorrichtungen von Knorr-Bremse ausgerüstet. Dank rechtzeitiger Verstärkung des technischen Personals konnte Knorr-Bremse in den folgenden Jahren eine Reihe weiterer Neuentwicklungen im Eisenbahnbereich zum Einsatz bringen.
Neben der Fabrikation von Druckluftbremsen erweiterte Knorr-Bremse in den 1930er Jahren auch seine Aktivitäten in weiteren Produktsparten. 1935 gründete das Unternehmen gemeinsam mit französischen und englischen Interessenten ein Syndikat zur weltweiten Kooperation beim Vertrieb des Isothermos-Achslagers, für dessen Einführung sich das Unternehmen seit 1925 in Verbindung mit dem Eisen- und Stahlwerk Walter Peyinghaus engagierte. Mit Wirkung vom 1. Januar 1938 wurde die Firma in Volmarstein an der Ruhr, an der die Knorr-Bremse AG eine stille Beteiligung hielt, als Knorr-Bremse AG, Stahlwerk Volmarstein übernommen. Die Knorr-Bremse AG verfügte damit auch über einen eigenen leistungsfähigen Gießereibetrieb mit etwa 1.000 Mitarbeitern.
Um die Erschließung weiterer Märkte bemühte sich Knorr-Bremse vor allem mit dem Bau von Pumpen und Kompressoren, die seit jeher als Bestandteile des Druckluft-Bremssystems konstruiert wurden. Dem Unternehmen wurde eine neue Abteilung IV angegliedert, in der unter anderem Industriekompressoren für weit über 100 Anwendungsgebiete hergestellt wurden.
Dabei machte sich vor allem die Verpflichtung des Ingenieurs Hans Peters bezahlt, den Vielmetter 1926 als Versuchsleiter eingestellt hatte. Knorr-Bremse wurde zum größten deutschen Hersteller von Dampfluftpumpen. Seit Mitte der 1930er Jahre wurden auch Hochdruckpumpen gebaut, mit denen unter anderem das Walfangmutterschiff »Walter Rau« ausgerüstet wurde.
Auch in der Kompressorenfertigung baute das Unternehmen seine Stellung systematisch aus. Um den Absatz zu fördern, wurden Farbspritzpistolen und Aufreißhämmer in das Vertriebsprogramm aufgenommen. Für letztere versuchte man auch einen englischen Lizenznehmer zu gewinnen. Für die Abraumwagen der Braunkohlenreviere lieferte Knorr-Bremse pneumatische Kippvorrichtungen. In Lizenz wurden in der Abteilung IV außerdem Anlaßkupplungen und Getriebe gefertigt. Mit signaltechnischen Anlagen fand Knorr-Bremse auch Zugang zum Markt für Zugsicherungssysteme. Die neuen Produkte standen zwar im Umsatz weit hinter dem Bremsenbau zurück, erweckten aber zum Teil große Hoffnungen auf neue Absatzmärkte.
Wenig Absatz fand zunächst auch eine weitere Produktsparte, für die im Mai 1934 eine eigene Abteilung »RB« eingerichtet und vom Rest des Werkes streng abgeschirmt wurde. Es handelte sich um eine Abteilung für Rüstungsgüter, die später auch als Abteilung V bezeichnet wurde. Versuche mit einem patentierten preßluftgesteuerten Maschinengewehr trugen dem Unternehmen zunächst überwiegend Verluste ein.
Zwischen Weltmarkt und »Neuordnung Europas«
Die Knorr-Bremse AG unterhielt inzwischen Vertretungen in vielen Ländern der Erde, so in Argentinien, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Iran, Jugoslawien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Polen, Rumänien, Schweden, Schweiz, Türkei und Ungarn. Die Kunze-Knorr-Güterzugbremse war außer in Deutschland bereits in Schweden, den Niederlanden und der Türkei sowie teilweise in Ungarn eingeführt.
Auch die neu entwickelten Systeme für den Schnellverkehr fanden bald Interesse im Ausland. Die Blitzzüge der Dänischen Staatsbahn wurden ab 1936 von Knorr-Bremse mit der Magnetschienenbremse und der Außenbacken-Trommelbremse ausgerüstet. Die Abteilung II für Straßenbahnen und Triebwagen lieferte ihre Systeme unter anderem für Bahnen in Österreich, Ungarn, Bulgarien und der Tschechoslowakei, außerdem in Spanien, der Türkei und Südamerika. Ab 1937 wurden aus Ungarn 140 Triebwagenzüge mit Knorr-Bremsen nach Argentinien geliefert. Erhebliche Umsatzsteigerungen im Auslandsgeschäft versprach jedoch vor allem die Hildebrand-Knorr-Bremse, mit der die Reichsbahn bald alle neuen Personen- und Güterwagen ausrüstete.
Bereits 1931 hatte die »Hik« die Zulassung des Europäischen Eisenbahnverbandes UIC für den internationalen Verkehr erhalten. Der Schnellbremse »Hikss« wurde 1937 auf der Pariser Weltausstellung der »Grand Prix« in der Klasse »Sicherheitswesen« verliehen. Mit vielen ausländischen Eisenbahnverwaltungen stand die Knorr-Bremse AG in aussichtsreichen Verhandlungen. Im unmittelbaren Wettbewerb mit Westinghouse versuchte das Unternehmen jetzt auch in Südamerika Fuß zu fassen. Im Frühjahr 1938 begannen in Brasilien auf der Strecke zwischen Tapuya und San Carlos Versuche der Companhia Pauista mit der Hildebrand-Knorr-Bremse, bei denen sie sich besonders an langen und schweren Zügen bewährte.

Ihren ersten Auslandsmarkt fand die Hik-Bremse wie schon ihre Vorgängerin in Schweden. Bis 1939 fiel der Entschluß zu ihrer Einführung auch in Norwegen, Österreich, der Türkei, Rumänien, Bulgarien sowie im Iran. Dort kam sie nache dem Einbau in englische Waggons bereits in der 1938 in Betrieb genommenen Transiranischen Eisenbahn zwischen dem Kaspischen Meer und dem Persischen Golf zum Einsat. Auch Dänemark und Ungarn entschieden sich grundsätzlich für die »Hik«. Die Behörden jener Länder, die über eine eigene Eisenbahnindustrie verfügten, bestanden auf einer heimischen Fertigung. Die durch Inflation und Weltwirtschaftskrise verknappten Mittel, vor allem aber die nach der Bankenkrise von 1931 eingeführte strenge Devisenbewirtschaftung erschwerten es deutschen Unternehmen aber, eigene Fertigungsstätten im Ausland aufzubauen.
Zumindest in Ungarn bemühte sich Knorr-Bremse, die Aktienmajorität der Budapester Telefonfabrik AG zu erwerben, mit der bereits seit 1926 ein Lizenzabkommen bestand. Der Versuch scheiterte jedoch 1933 am Problem des Devisentransfers. In Rumänien, wo zunächst eine »Frana Knorr« gegründet worden war, Schloß Knorr-Bremse 1936 ein Lizenzabkommen mit der Fabrika de Lokomotiva N. Malaxa S.A.R. in Bukarest. Ebenfalls 1936 wurde ein Lizenzabkommen mit der Gebr. Hardy Maschinenfabrik und Gießerei AG in Wien zur Fertigung der Hik-Bremse und weiterer Knorr-Erzeugnisse für Österreich geschlossen. In Norwegen übertrug Knorr-Bremse 1936 der Kongsberg Vaabenfabrik das Fertigungsrecht. Aus Berlin sollten zumindest anfangs jeweils hochwertige Ausrüstungsteile wie Steuerventile und Bremszylinder zugeliefert werden. In Schweden schließlich stand mit der Nordiska Armatur Aktiebolaget mit Werken in Stockholm und Lund bereits seit 1919 ein bewährter Lizenzpartner zur Verfügung, mit dem 1937 auch ein Abkommen über die Fertigung der Hik-Bremse für Schweden geschlossen wurde.
Kurz darauf zog die Eroberungs- und Ausbeutungspolitik des »Dritten Reiches« die Verbreitung der Hik-Bremse allerdings weit hinein in das Fahrwasser der »Neuordnung Europas« unter deutscher Vorherrschaft. Durch den Krieg gingen einerseits größere Aufträge für die Türkei und Iran und schließlich auch für Estland und Lettland verloren, die in den Einflußbereich der westlichen Alliierten bzw. der Sowjetunion fielen. Auch die Bemühungen, in Südamerika Fuß zu fassen, mußten mit Kriegsbeginn eingestellt werden. Die Kontakte konzentrierten sich jetzt auf die Bahnverwaltungen und Lizenznehmer der Knorr-Bremse AG in den besetzten oder in den neutralen, von deutschen Truppen umringten Staaten Europas.
Vergleichsweise unkompliziert war die Kooperation mit der schwedischen Nordiska Armatur Aktiebolaget (NAF), deren Werk in Lund mit mehreren hundert Beschäftigten Bremsausrüstungen für die Schwedische Staatsbahn aufgrund des Lizenzvertrags mit Knorr-Bremse produzierte. Das Unternehmen, an dem Johannes P. Vielmetter eine persönliche Beteiligung von etwa 8 % hielt, war durchaus kein einfacher Partner. Langjährige Auseinandersetzungen um die mit den Lizenzen verbundenen Vertriebsrechte konnten erst 1936 beigelegt werden. Den 1937 geschlossenen neuen Lizenzvertrag mit Knorr-Bremse bestätigte NAF aber im Frühjahr 1940. Im neutralen Schweden genoß das Berliner Unternehmen während der gesamten Dauer des Krieges einen guten Ruf, der eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Lizenznehmer ermöglichte. 1941 übertrug Knorr-Bremse den Thulinwerken im schwedischen Landskrona als erster ausländischer Firma auch das Recht zu Fertigung und Vertrieb von Bremsausrüstungen für Straßenfahrzeuge.
Die Gebietseinverleibungen des »Dritten Reiches« und schließlich die militärische Eroberung weiter Teile Europas ebneten auch deutschen Firmen und Produkten unmittelbar den Weg in die besetzten und annektierten Länder. So wurde zunächst in Österreich im Gefolge des erzwungenen Anschlusses an das Deutsche Reich im März 1938 nach »Abstimmung« mit den deutschen Behörden der Entschluß gefaßt, die dortigen Eisenbahnfahrzeuge in kürzester Zeit der deutschen Technik anzupassen. Die Gebrüder Hardy AG in Wien hatte trotz des Lizenzvertrags mit Knorr-Bremse an der Entwicklung eines neuen Steuerventils gearbeitet, das im Gegensatz zum Hik-Ventil nicht mit metallischen Dichtungen, sondern bereits mit innovativen Gummidichtungen arbeitete. Durch die Ereignisse des Jahres 1938 wurde diese Entwicklung abgebrochen. Der Chef der Firma, William Francis Hardy, verließ als britischer Staatsbürger Österreich und diente im Krieg in der Marine der Alliierten. Die Firma wurde vom neuen Regime unter kommissarische Verwaltung gestellt und nahm auf der Grundlage der zwei Jahre zuvor erteilten Lizenz erst jetzt die Fertigung der Hik-Bremse für die vormals österreichische und jetzt der Reichsbahn angegliederte Staatsbahn auf. Auch die Staatsbahnen der Niederlande und Dänemarks begannen erst unter deutscher Besatzung konsequent mit der Einführung des neuen Bremssystems.
Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion geriet auch der Blick nach Osten in den Strudel der militärischen Gewalt. Im August 1941 wähnte sich der Vorstand der Knorr-Bremse AG vor ganz neuen Herausforderungen: »Neue Aufgaben auf dem Gebiete der Güterzugbremse wird wahrscheinlich die Neuordnung Europas bringen. Längere durchgehende Strecken werden zu wesentlich größeren Zuglängen und Gewichten führen, besonders wenn einmal Rußland in das europäische Verkehrsgebiet einbezogen werden sollte.«
Es gehörte auch zur Kunst des Regimes, Druck auf die Wirtschaft in den besetzten Ländern auszuüben und gleichzeitig die private Konkurrenzwirtschaft nicht anzutasten.

Als besonderen Erfolg wertete daher der Vorstand der Knorr-Bremse AG das im Oktober 1941 mit den Skoda-Werken in Prag für deren Zweigwerk in Adamsthal vereinbarte Lizenzabkommen, nachdem das Prager Unternehmen sich bis dahin um die Verbreitung der konkurrierenden Bozic-Bremse bemüht hatte: »Wir sehen in diesem Abkommen einen weiteren beträchtlichen Schritt zur ausschließlichen Verwendung der Hildebrand-Knorr-Bremse in Europa.« Kurz zuvor hatte das Reichsbahn-Zentralamt den Skoda-Werken sein Einverständnis erklärt, daß sie alle Bremsteile für die von der Reichsbahn bestellten Lokomotiven, auf welche die Knorr-Bremse AG keine Schutzrechte besaß, im Werk Adamsthal fertigen dürften. Ebenso wie die Gebrüder Hardy AG in der »Ostmark« waren die Skoda-Werke ein Objekt der Bestrebungen des »Dritten Reiches«, die Wirtschaft im »Reichsprotektorat Böhmen und Mähren« mit scheinlegalen Mitteln unter deutsche Kontrolle zu bringen.
Inzwischen wurden weite Teile Europas unmittelbar von der Deutschen Reichsbahn befahren. Von der im »Generalgouvernement« betriebenen »Ostbahn« trafen wachsende Bestellungen bei der Knorr-Bremse AG ein. Das Berliner Werk belieferte außerdem direkt die Eisenbahnindustrien der besetzten Länder Belgien und Frankreich, die ausschließlich für die Deutsche Reichsbahn produzieren mußten. Auch das Westinghouse-Werk in Paris lieferte jetzt Ausrüstungen nach Zeichnungen von Knorr-Bremse für die Reichsbahn, nachdem ein Jahrzehnt zuvor Knorr-Bremse umgekehrt die Französische Staatsbahn mit Bremsen nach der Bauart Westinghouse ausgerüstet hatte.
Es gibt keine Unterlagen, die darauf hindeuten, daß die Knorr-Bremse AG in irgendeinem Fall versucht oder auch nur die Möglichkeit gehabt hätte, sich selbst politischer Druckmittel zu bedienen, um Aufträge zu erhalten oder Lizenzvereinbarungen zu schließen. Auf die in die Höhe schnellenden Aufträge aus dem Ausland reagierte der Vorstand sogar mit wachsender Zurückhaltung und versuchte die Annahme zumindest hinauszuzögern, um nicht in übermäßigen Lieferverzug zu geraten. Die Knorr-Bremse AG versuchte offenbar auch nicht wie viele andere deutsche Firmen und Investoren, sich potentielle Zulieferbetriebe in den besetzten Ländern anzueignen, obwohl das Unternehmen sich angesichts der wachsenden Auftragsbestände zur Vergabe von Unteraufträgen auch an ausländische Betriebe genötigt sah und darin eine Gefahr künftiger Konkurrenz erblickte. Verlagerungsaufträge wurden während des Krieges an mindestens 57 Firmen im besetzten Ausland vergeben, darunter 21 Betriebe in Frankreich, 27 in Belgien, jeweils drei in Italien und Dänemark, einen in Norwegen und zwei in dem in Polen errichteten »Generalgouvernement«.
Als die Knorr-Bremse AG im Sommer 1943 angesichts der zunehmenden alliierten Luftangriffe vom Reichsminister für Bewaffnung und Munition angewiesen wurde, eigene Werksteile an weiter östlich gelegene Standorte zu verlagern, übernahm sie jedoch auch selbst Betriebe in Myschkow und Sosnowitz in dem seit 1920 polnischen und nach der deutschen Besetzung wieder in das Reich eingegliederten Teil Oberschlesiens. Es handelte sich um eine ehemalige Blech- und Emaillierwarenfabrik und eine große Textilfabrik, die nach der deutschen Besetzung der »Haupttreuhandstelle Ost« (HTO) unterstellt worden waren. Auch hier weigerte sich die Knorr-Bremse AG aber, die Liegenschaften zu kaufen, und Schloß Pachtverträge mit der HTO. In den Ausweichbetrieben wurden rund 1.000 bzw. 1.200 überwiegend polnische Arbeiter beschäftigt, aber auch ein Teil der Berliner Stammbelegschaft wurde dorthin versetzt, um kriegswichtige Güter unter anderem für die Luftwaffe zu produzieren.
Dem Aufsichtsrat wurde inzwischen von »sehr ernstem Druck« der entsprechenden Ausschüsse beim Rüstungsministerium berichtet, wenn die dort festgesetzten Lieferprogramme nicht reibungslos erfüllt wurden. Der Vorstand sah sich in seiner Entscheidungsfreiheit zunehmend eingeengt und unter wachsenden Schwierigkeiten genötigt, die mittlerweile weit über die Reichsgrenzen hinausgreifenden deutschen Eisenbahnverwaltungen mit den angeforderten Ausrüstungen zu beliefern. Die Bestellungen der Ostbahn erhöhten sich 1942 auf 800.000 RM. Sie ermöglichten nicht nur die unmittelbar kriegsbedingten Leistungen der »für die Etappe und Truppe wichtigen Bahnen«, wie es im Jahresbericht des Vorstands der Knorr-Bremse AG hieß. Der Aufbau eines leistungsfähigen Bahnbetriebs im besetzten Polen war auch Voraussetzung für die reibungslose »Evakuierung« der jüdischen Bevölkerung halb Europas in die Massentötungsfabriken des »Dritten Reiches«.
Es ließe sich allenfalls darüber spekulieren, was Berliner Unternehmer darüber wußten oder nicht wußten oder auch nicht wissen wollten. Der Ausweichbetrieb der Knorr-Bremse AG in Sosnowitz bei Kattowitz, der im Februar 1944 die Produktion aufnahm und in dem bis kurz vor Kriegsende auch rund 300 Mitarbeiter aus Berlin beschäftigt waren, lag nicht mehr als 20 km vom Vernichtungslager Auschwitz entfernt. Das nationalsozialistische Regime riegelte die Mordmaschinerie hermetisch gegen die Außenwelt ab. Was dennoch nach draußen drang, war so unvorstellbar, daß es weder im Reich noch im Ausland viel Glauben fand, bevor alliierte Truppen die Lager erreichten und die wenigen Überlebenden befreien konnten. Was möglicherweise gewußt wurde, fand jedenfalls nicht den Weg in die überlieferten Unterlagen der Knorr-Bremse AG.
Knorr-Bremse in der Rüstungs- und Kriegswirtschaft des »Dritten Reiches«
Mit Gesetz vom 10. Februar 1937 war die Reichsbahn der unmittelbaren Hoheit des Reiches und damit der Kontrolle des Regimes unterstellt worden und hieß seither auch offiziell »Deutsche Reichsbahn«. Das neue Reichsbahngesetz vom 4. Juli 1939 hatte das Verkehrsunternehmen ausdrücklich in den Dienst der »Belange der Landesverteidigung« gestellt. Die Erweiterung der Betriebsmittel blieb aber weit hinter den unmittelbaren Rüstungsanstrengungen des Reiches zurück. Die von Johannes R Vielmetter gleich nach Kriegsbeginn geäußerte Überzeugung, »daß der Bau von Eisenbahnwagen ebenso wichtig für den Krieg ist wie die Herstellung von Waffen aller Art«, bestätigte sich jedoch bald und wurde auch von der Heeresverwaltung geteilt, die mit der Festlegung von Fertigungsquoten und der Rohstoffzuteilung an die Industrie beauftragt war.
1940 wurden pro Monat durchschnittlich 4.000 Güter- und Personenzugbremsen der Bauart Hik aus Berliner Fertigung an die Reichsbahn und ins Ausland geliefert. Anfang 1941 begann auch das Münchener Tochterunternehmen, die Süddeutsche BremsenAG, mit der Lieferung von monatlich 1.500 Hik-Steuerventilen an die Reichsbahn und steigerte die Produktion bis Kriegsende auf mehr als 2.000 Ventile pro Monat.
Die Produktionslenkung wurde 1942 unmittelbar dem neuen Reichsminister für Bewaffnung und Munition Albert Speer unterstellt, bei dem hierfür ein »Hauptausschuß Schienenfahrzeuge« eingerichtet wurde. Dies hatte zur Folge, daß von Knorr-Bremse eine nochmalige Produktionssteigerung um etwa 80 %, vor allem im Bereich Lokomotivausrüstungen, verlangt wurde. Zusammen mit den Verlagerungswerken in Myschkow und Sosnowitz sowie dem Münchener Tochterunternehmen lieferte Knorr-Bremse in den letzten Kriegsjahren Monat für Monat 500 komplette Bremsanlagen für Lokomotiven, außerdem täglich rund 250 Hik-Bremsen, vor allem für Güterwagen. Alles in allem versechsfachte sich der Umsatz der Abteilung I für Vollbahnen zwischen 1937 und 1943 von 11,8 Mio. RM auf 72,6 Mio. RM. In der Abteilung III für Autobremsen wurde der Rückgang ziviler Aufträge bei Kriegsbeginn durch erhöhte Auftragseingänge für die Erweiterung der Heeresbestände kompensiert. Der Umsatz mit Nutzfahrzeugbremsen, der vor dem Krieg außerordentlich expandiert war, unterlag jedoch zunehmend Rohstoffbeschränkungen für die Kraftfahrzeugindustrie und sank nach seinem Höhepunkt im Jahr 1941 mit 18,7 Mio. RM wieder ab.
Auch die Rüstungsabteilung erlangte während des Krieges Bedeutung, als die Knorr-Bremse AG in großer Zahl Pumpen für Flugzeuge und für die Kriegsmarine herstellte. Ferner wurden erhebliche Mengen von Geschützrohren für Panzerabwehrgeschütze an das Heer geliefert, außerdem Granaten. Die Abteilung RB beschäftigte während des Krieges etwa 400 Personen. Knorr-Bremse war auch an einer Reihe militärischer Entwicklungsprojekte beteiligt. So waren zwei Mitarbeiter gegen Kriegsende im Raketenzentrum Peenemünde damit beschäftigt, für den Abschuß der sogenannten Vergeltungswaffe »VI« druckluftgedämpfte Bremsschlitten zu konstruieren, die aber nicht mehr zum Einsatz kamen. Der Anteil der Rüstungsabteilung am Gesamtumsatz des Unternehmens hielt sich aber auch während des Krieges in Grenzen. Er bewegte sich durchschnittlich bei ca. 6 % und erreichte im Jahr 1942 mit 13,3 % seinen Höhepunkt. Knorr-Bremse blieb während der gesamten Dauer des Krieges mit dem Bau von Druckluftbremsen für Kraftfahrzeuge und vor allem für Eisenbahnen weitestgehend ausgelastet, ganz nach dem Motto, mit dem die »Berliner Illustrierte Zeitung« vom 27. Juni 1935 das Unternehmen porträtiert hatte: »Die Knorr-Bremse A.G. ist als Bremsfirma großgeworden, und dieser Produktionszweig wird auch immer das Rückgrat ihrer industriellen Betätigung bleiben.«
Anders verhielt es sich bei den Tochterunternehmen. Die Süddeutsche Bremsen-AG in München erholte sich nur langsam vom Ende des Fertigungsprogramms für Eisenbahnbremsen, das 1934 noch einmal kurzzeitig für eine Reparationslieferung nach Belgien aufgenommen wurde. Das nicht mehr marktkonforme Motorenprogramm brachte kaum Beschäftigung. Die Wende kam erst, als sich die Firma Anfang 1937 durch Vermittlung Johannes P. Vielmetters um Aufträge des Heereswaffenamtes bewarb und fortan Zünder und Granaten lieferte. 1938 wurde auch die Fertigung von Flugmotorenteilen für das Reichsluftfahrtministerium aufgenommen. Die parallel dazu mühsam erweiterte Motorenfertigung wurde mit Kriegsbeginn ebenfalls auf Heereslieferungen umgestellt.
In München war die unmittelbare Rüstungsproduktion von Anfang an als Lückenbüßer gedacht, der man nicht mehr Raum als nötig einräumen wollte. Als die Südbremse zur Entlastung der Konzernmutter 1941 auch noch die Fertigung von Hik-Steuerventilen aufnahm und der Vorstand der Knorr-Bremse sich daher wieder stärker für die Produktionsverhältnisse des Münchener Tochterunternehmens interessierte, sah man sich dort sogar veranlaßt, sich für die fortdauernde Rüstungsproduktion zu entschuldigen. Der Südbremse-Vorstand rechtfertigte sich damit, daß die Rüstungsfertigung vor dem Krieg überhaupt erst die Möglichkeit geschaffen habe, das Werk wieder auszulasten. Man wußte in München zwar um die Nachteile der vielfältigen dort angesiedelten Produktion für Industrie und Landwirtschaft, für das Heer, die Marine, die Luftwaffe und schließlich die Eisenbahn, »aber vielleicht überwiegen gerade heute und in der näheren Zukunft die Vorteile, nicht einseitig festgelegt zu sein«, erklärte der Vorstand im Juli 1941.
Auch bei den mit der Südbremse verbundenen Motoren-Werken in Mannheim trieb die Heeresnachfrage die Umsätze in die Höhe, während »Friedensaufträge« mit Kriegsbeginn zurückgezogen wurden. Der 1938 begonnene Ausbau des Werkes wurde mehrfach erweitert, und die Zahl der Mitarbeiter stieg bald nach Kriegsbeginn auf über 2.000. Mit dem Bau von Motoren war das Werk in Mannheim aber voll ausgelastet.
Bedeutenden Einfluß hatte die Rüstungskonjunktur auf die Carl Hasse & Wrede GmbH, an der die Knorr-Bremse AG inzwischen mit 75 % beteiligt war. Schon Anfang der 1930er Jahre sah die Geschäftsführung in der weltweit einsetzenden Aufrüstung eine Möglichkeit, Kunden wieder mit kompletten spezialisierten Maschinenausrüstungen zu beliefern. Bereits 1930 hatte das Heereswaffenamt des Reiches der Carl Hasse & Wrede GmbH unter strenger Geheimhaltung den Auftrag zur Entwicklung einer Geschoßdrehbank erteilt, die der Granatenfabrikation unter Verwendung von Werkzeugen zur Bearbeitung von Hartmetall dienen sollte. Ab Mitte der 1930er Jahre konnten in ganz Europa sowie in Südamerika umfangreiche Aufträge von vorwiegend staatlichen Betrieben akquiriert werden. In Shanghai und Tokyo wurden 1935 eigene Vertretungen errichtet.
Wegen der Einnahme knapper Devisen war der Export den Reichsbehörden durchaus nicht unerwünscht. 1937 erhielt die Firma die Genehmigung zur Errichtung eines Musterbetriebs mit Maschinen zur Herstellung von Granaten und Zündern, der auch ausländischen Interessenten vorgeführt werden konnte. Die Carl Hasse & Wrede GmbH erwarb von der Knorr-Bremse AG das Gelände einer ehemaligen Eisengießerei in Berlin-Britz, auf dem nach umfangreichen Umbauarbeiten das Musterwerk 1938 als Werk IV in Betrieb genommen wurde. Inzwischen hatte sich die Belegschaft der Firma gegenüber dem Jahr 1933 verzehnfacht und umfaßte mehr als 4.000 Personen. Nach wie vor wurde ein großer Teil der Maschinen ins Ausland geliefert, vor allem in die Sowjetunion. Der Jahresumsatz stieg sogar von einem Tiefststand von knapp 1,3 Mio. RM im Jahr 1932 auf 23,6 Mio. RM im Jahr 1938.
Man entschloß sich, die gesamte Produktion an einem großzügigen neuen Standort zu konzentrieren. Am 25. November 1938 wurde der Vorstand der Carl Hasse & Wrede GmbH in der Behörde des »Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt« Albert Speer vorstellig, des späteren Rüstungsministers, und erhielt ein Baugelände in dem als »Industriegebiet 15 der Generalbauinspektion« ausgewiesenen Gebiet bei Marzahn nordöstlich des Berliner Stadtzentrums zugewiesen. Das neue Werk wurde unter Verwendung eines bereits für die Reichsbahn errichteten Rohbaus zügig unter unmittelbarer Leitung der Generalbauinspektion errichtet.

Einen Tag vor dem Richtfest am 31. August 1940 unterzeichneten die Geschäftsführer der Carl Hasse & Wrede GmbH, Paul Peter und Wolfgang Anger, für die Firma einen Geheimvertrag mit dem Deutschen Reich, vertreten durch das Oberkommando des Heeres (OKH). Darin verpflichtete sich die Firma, die neue Fertigungsstätte in erster Linie zur Durchführung der vom OKH direkt oder indirekt erteilten Lieferaufträge bereitzuhalten. Im Gegenzug beteiligte sich das Reich mit einer Beihilfe in Höhe von 4,9 Mio. RM an der Bauausführung. Zugleich wurde das Gesellschaftskapital der Carl Hasse & Wrede GmbH um 4 Mio. RM auf 5 Mio. RM erhöht, wobei die Beteiligung der Knorr-Bremse AG auf 90 % stieg. Im März 1942 war der Umzug beendet. Neben dem riesigen neuen Werk wurde auch das Zweigwerk in Britz weiter betrieben.
Der Vorstand von Hasse & Wrede hatte beim Generalbauinspektor eigens um einen geeigneten Architekten für das große Industriebauvorhaben gebeten. Das äußere Erscheinungsbild des mit roten Ziegeln verblendeten Betonbaus nahm unverkennbar die Traditionen der Moderne der zwanziger und dreißiger Jahre auf. Hinter der ziegelverkleideten Fassade erstreckte sich eine 200 mal 200 m messende Werkhalle. Auf einer durchgehenden Fläche von 40.000m2 arbeiteten mehr als 4.000 Beschäftigte an 1.400 modernsten Bearbeitungsmaschinen. Die gewaltige Expansion im Zeichen der Rüstungswirtschaft erforderte erhebliche Investitionen. Der Werksneubau der Carl Hasse & Wrede GmbH in Marzahn verschlang schließlich die Summe von 24,5 Mio. RM, die zum großen Teil mit Krediten finanziert wurde. Das Unternehmen, dessen Seniorchef Julius Wrede am 23. Februar 1939 verstorben war, hatte sich in Abhängigkeiten begeben, die man intern als »nicht ganz ungefährlich« beurteilte.

»Hasse & Wrede ist mit dem Ausbau des Werkes die größte Werkzeugmaschinenfabrik von Europa, ja vielleicht sogar der ganzen Welt. Damit ist gekennzeichnet, daß der Ausbau von Hasse & Wrede, der auf Veranlassung des OKH vorgenommen wurde, die bisher übliche Kapazität von Werkzeugmaschinenfabriken übersteigt. Die Ausnutzung dieser Kapazität wird nach dem Kriege eine schwere Aufgabe sein.« Als ein »Schattenbetrieb der Rüstungsindustrie« wurde das Werk daher bezeichnet.
Die Knorr-Bremse AG und ihre Tochtergesellschaften beschäftigten Ende 1939 mehr als 20.000 Mitarbeiter. Die Rüstungskonjunktur hatte vor allem bei den Tochterunternehmen zu einer teils außerordentlichen betrieblichen Erweiterung geführt. Die Gefahrenmomente dieses in hohem Maße von den politischen Rahmenbedingungen abhängigen Wachstums wurden aber klar erkannt. Die Geschäftsführung der Knorr-Bremse AG bemühte sich daher, für das Unternehmen selbst möglichst übermäßige Kapazitätserweiterungen zu vermeiden. Johannes P. Vielmetter erklärte dem Aufsichtsrat im Sommer 1938: »Bauliche Vergrößerungen möchten wir nicht gern vornehmen, dahingegen beabsichtigen wir, befreundete Werke zur Mitarbeit heranzuziehen.« Dies blieb auch während des Krieges die Strategie des Unternehmens. Nachdem die Kapazitäten der Südbremse ausgelastet waren, wurden die Anforderungen der Kriegswirtschaft zunehmend als Belastung empfunden. Hohe Lieferrückstände bargen die Gefahr der Auftragsvergabe an Konkurrenten in sich, denen in diesem Fall auch Zeichnungsmaterial und damit wichtiges Know-how auszuhändigen war.
Das Verhältnis zum wichtigsten Kunden wurde noch in anderer Hinsicht belastet. Die Lieferungen an die Reichsbahn wurden traditionell nach einem »Cost-Plus«-Schema berechnet. Auf die eingereichten und geprüften Kostenrechnungen konnte die Firma eine bestimmte Gewinnspanne aufschlagen. Die Preise lagen zum Teil deutlich über den Produktionskosten und deckten den erheblichen Entwicklungsaufwand mit ab. Diese Basis wurde während des Krieges zugunsten eines rigiden Festpreissystems verlassen. Ab 1940 senkte die Reichsbahn mehrfach erheblich die Preise. Johannes P. Vielmetter sah sein Unternehmen, wie er in einem Schreiben an das Berliner Reichsbahn-Zentralamt vom 22. Juni 1940 beklagte, »auf das Niveau einer Schraubenfabrik« herabgedrückt.

Wenn die Knorr-Bremse AG trotz tatsächlich sinkender oder gar ganz ausbleibender Verdienste bis zum Kriegsende Lieferzusagen dennoch unter allen Umständen einzuhalten suchte, so war dies aber nicht nur dem von den Rüstungsausschüssen ausgeübten erheblichen Druck zuzuschreiben. Das Unternehmen hatte dabei stets auch die Nachkriegssituation im Blick. »Es ist notwendig«, erklärte der Vorstand im März 1943, »daß unsere Gesellschaft diese Fertigung in der Hand behält, weil sonst damit zu rechnen ist, daß uns eine Konkurrenz entsteht, die nicht nur im Kriege den außerordentlich gestiegenen Bedarf mit befriedigen, sondern auch in späteren Jahren im In- und Auslande mit uns in Wettbewerb treten würde.« Infolgedessen wurde zwischen den Anforderungen des Krieges und den Interessen des Unternehmens nicht unterschieden.
Auch im Hinblick auf die Betriebsorganisation reagierte man mit dem unbedingten Willen zur Erfüllung der gestellten Aufgaben. Dies warf nicht zuletzt im Personalbereich erhebliche Probleme auf, wie der Vorstand Anfang 1943 berichtete:
»Ein Versagen würde ungeheure Auswirkungen für die Kriegsführung und für unsere Firma mit sich bringen. Die geforderte Leistungssteigerung beansprucht in besonderem Maße die innerbetriebliche Organisation, da fachlich gebildete Kräfte nicht zu erhalten sind und die Lücken, welche durch Einberufungen zur Wehrmacht entstehen, meist nur unzureichend geschlossen werden können.«
Von der Vollbeschäftigung zur Zwangsarbeit
Für die Belegschaft der Knorr-Bremse AG hatte sich der wirtschaftliche Aufschwung seit 1933 in einer spürbaren Besserung der Lohn- und Zusatzleistungen niedergeschlagen. Schon vor Kriegsbeginn traten mit nun wieder knapp 5.000 Mitarbeitern personelle Engpässe auf. Inzwischen herrschte Vollbeschäftigung. Der Mangel an Arbeitskräften, vor allem an Facharbeitern, machte sich stark bemerkbar. Die Unternehmensleitung versuchte diesen mit Umschulungsmaßnahmen, maschineller Rationalisierung und Einschränkung der Verwaltungsarbeit zu bewältigen. Bereits seit geraumer Zeit wurden auch vermehrt weibliche Beschäftigte eingestellt. Die Zahl der Arbeiterinnen und weiblichen Angestellten der Knorr-Bremse AG vervierfachte sich und stieg von 1933 bis 1938 von 149 auf 621, während sich die Zahl der Beschäftigten insgesamt von 2.152 auf 4.925 nur gut verdoppelte.
Im Verlauf des Krieges wurde mit der wachsenden Zahl von Einberufungen zum Heeresdienst und den steigenden betrieblichen Anforderungen der Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften immer größer. Der Anteil der einberufenen oder gefallenen Mitarbeiter des Berliner Stammwerks der Knorr-Bremse AG stieg bis zum Kriegsende auf mehr als zwei Drittel der männlichen deutschen Belegschaft. Die Möglichkeit, die Arbeitsplätze vermehrt mit weiblichem Personal und ungelernten Kräften zu besetzen, stieß rasch an ihre Grenzen. Die Beschäftigten wurden zunehmenden Restriktionen unterworfen. So wurde, wer wiederholt unbegründet der Arbeit fernblieb, vom Sommer 1941 an nicht mit Entlassung, sondern mit einer Gefängnisstrafe von bis zu drei Monaten bedroht. Dennoch drohte der Produktionsfluß durch den personellen Aderlaß ins Stocken zu geraten.
Um die Produktion im Krieg zu sichern, bemächtigte sich das nationalsozialistische Regime rücksichtslos der Arbeitskraft der Bevölkerung der besetzten Länder. Viele Menschen ließen sich aus blanker Not freiwillig anwerben. Ihre Zahl reichte aber bei weitem nicht aus, und zunehmend wurden Menschen brutal aus ihrer Heimat verschleppt, um in deutschen Betrieben Zwangsarbeit zu leisten. Auch Kriegsgefangene wurden zur Arbeit gezwungen. Deren Einsatz war völkerrechtlich zwar grundsätzlich erlaubt, doch erfolgte er häufig unter katastrophalen Bedingungen. Im August 1944 waren insgesamt 7.615.970 ausländische Arbeitskräfte im Gebiet des »Großdeutschen Reiches« registriert.
Für die Betriebe selbst war ihr Einsatz oft mit Belastungen verbunden. Sie waren verpflichtet, für Verpflegung und Unterkunft zu sorgen. Auch die Knorr-Bremse AG beschäftigte ebenso wie ihre Tochterunternehmen in großer Zahl ausländische Arbeitskräfte. In der Aufsichtsratssitzung vom 4. März 1943 berichtete der Vorstand:
»Der verstärkte Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, in der Hauptsache Ostarbeiter und Franzosen, zwang zur Aufstellung von Barackenlägern, bei deren Errichtung wir an bestimmte Vorschriften gebunden waren. Diese Barackenläger wurden teils durch uns errichtet, teils durch das Reich, und uns mietweise zur Benutzung überlassen. [...] In diesen Barackenlägern sind rund 2700 ausländische Arbeiter untergebracht worden.«
Im selben Monat erreichte die Zahl der im Berliner Stammwerk der Knorr-Bremse AG beschäftigten Ausländer mit 3.101 Personen ihren höchsten Stand während des Krieges. Das entsprach 42,3 % der Gesamtbelegschaft von 7.334 Personen. Von den gewerblichen Arbeitern kamen sogar 48,7 % aus dem Ausland. Die Belegschaft in den Ausweichwerken im »Generalgouvernement« war überwiegend polnisch. Mit ihnen zusammen erreichte die Zahl der beschäftigten Nichtdeutschen im Juli 1944 mit 4.090 ihren Höhepunkt, als die Knorr-Bremse AG in Berlin, Myschkow und Sosnowitz insgesamt 8.269 Personen beschäftigte. Auch bei der Südbremse stellten ausländische Arbeitskräfte bis zu 50% der bald über 2.000 Beschäftigten, darunter französische und sowjetische Kriegsgefangene. In den einzelnen Fabrikationsabteilungen stellten die ausländischen Beschäftigten sogar bis zu 75% der Blegschaft. Im Stahlwerk Volmarstein waren bereits im Jahr 1940 100 Kriegsgefangene beschäftigt. Bis September 1944 stieg die Zahl der ausländischen Beschäftigten dort auf 344 und zusätzlich 273 Kriegsgefangenen bei einer Gesamtzahl von 1.285 Beschäftigten.

Die Zahlensagen wenig über die Arbeits- und Lebensverhältnisse der ausländischen Arbeitskräfte aus, die abhängig von ihrer Herkunft sehr unterschiedlichen Bedingungen unterworfen waren. Eine Aufstellung vom 11. Juli 1942 zählte im Berliner Stammwerk der Knorr-Bremse AG ausländische Arbeiter aus 19 verschiedenen Staaten, darunter sogenannte »Ostarbeiter« aus der Sowjetunion, ferner Belgier, Tschechen, Italiener, Franzosen, Jugoslawen, Kroaten, Niederländer und Polen. Insbesondere unter den »Ostarbeitern« waren auch viele Frauen. Auch Kriegsgefangene wurden eingesetzt. Westeuropäer verfügten häufig über eine gewisse Freizügigkeit und waren in der Regel besser gestellt als »Ostarbeiter«, die besonders rigiden Restriktionen unterworfen waren.
In einem Rundschreiben vom Juni 1942 behauptete die Betriebsleitung der Knorr-Bremse AG, die »Ostarbeiter« stellten »freiwillig ihre Arbeitskraft zur Verfügung«. Es folgte jedoch die Mahnung an die deutschen Belegschaftsmitglieder: »Als Angehörige einer feindlichen Macht genießen sie keinerlei Freizügigkeit. Halte sie unter strenger Kontrolle, damit ein Entweichen ausgeschlossen ist.«
Sämtliche Betriebsangehörige mußten zur Kennzeichnung verschiedenfarbige Plaketten an ihrer Kleidung tragen. Vorgesetzte trugen weiße Plaketten, deutsche Mitarbeiter blaue, Ausländer rote und »Ostarbeiter« grüne. Die ausländischen Arbeitskräfte waren auch nach Nationen getrennt in den Lagern untergebracht. Die »Ostarbeiterinnen« wurden täglich unter Bewachung vom Lager in das Werk geführt. Ebenso wie die Knorr-Bremse AG unterhielten ihre Tochterunternehmen jeweils Lager auf eigenem Gelände. Die ausländischen Beschäftigten arbeiteten wahrscheinlich auch überwiegend in geschlossenen Gruppen. Ihr Kontakt zur deutschen Belegschaft konzentrierte sich auf eigens abgestellte Kräfte, die sie in ihre Tätigkeit einwiesen und beaufsichtigten. Die »Ostarbeiterinnen« wurden in die Arbeit an Drehmaschinen eingewiesen. Das Verhalten gegenüber den ausländischen Arbeitskräften reichte von zum Teil äußerst rüdem Auftreten von Aufsehern bis hin zu individuellen Hilfeleistungen durch deutsche Mitarbeiter.
Die Konzernunternehmen waren zunächst bemüht, alle Reserven des immer stärker reglementierten Arbeitsmarktes auszuschöpfen. Bei der Südbremse bemühte sich der Vorstand zum Beispiel um Zuweisung von mehr weiblichen deutschen Kräften, doch war das städtische Arbeitsamt nicht in der Lage, die Nachfrage zu befriedigen. Im Mai 1943 berichtete der Vorstand an den Aufsichtsrat: »Leutemangel wurde durch Einstellung von Ausländern aller Nationen und von weiteren Gefangenen in etwa behoben, Facharbeiter blieben aber aus.«
Die Buchhaltung der Knorr-Bremse AG errechnete ab 1943 einen Umsatzrückgang nicht nur pro Kopf, sondern auch je Lohneinheit, den sie auf den Einsatz von Ausländern zurückführte, obwohl sie, ebenfalls nach genauen Verordnungen, niedriger entlohnt wurden als die deutschen Arbeitskräfte. Die Carl Hasse & Wrede GmbH berichtete über einen Rückgang des Gesamtumsatzes im Jahr 1942 infolge des erhöhten Abzugs von Fachkräften und der dadurch bedingten Umstellung auf ausländische Arbeitskräfte.
Die Unternehmen drängten nicht nach dem Einsatz von Ausländern, aber sie sahen ihn als notwendig an und beteiligten sich damit an einem System, das auf der rücksichtslosen Ausbeutung dieser Menschen beruhte. Wie weit die menschenverachtende Gewaltherrschaft des »Dritten Reiches« inzwischen in die scheinbare Normalität des betrieblichen Alltags eingedrungen war, verdeutlicht ein Bericht des Vorstands der Knorr-Bremse AG an den Aufsichtsrat über die Beschäftigungssituation in ihrem Stahlwerk Volmarstein:
»Im Jahresdurchschnitt 1942 waren 30 gewerbliche Lehrlinge gegenüber 32 im Vorjahre tätig. Ende März des Geschäftsjahres trafen 120 sowjetische Kriegsgefangene ein, von denen Ende des Geschäftsjahres noch 75 tätig waren. Die sowjetischen Kriegsgefangenen befanden sich in einem sehr schlechten Gesundheitszustand, sodaß viele nach wenigen Wochen und Monaten wegen Tod oder Krankheit ausscheiden mußten.«
Gefahren und Versäumnisse
Die diffuse antikapitalistische Strömung innerhalb der nationalsozialistischen Ideologie und Bewegung wich nach der »Machtergreifung« rasch einem pragmatischen Vorgehen im Interesse wirtschaftlicher Stabilität. Unmittelbare Wirkung entfaltete dagegen die rassistische Ideologie des neuen Regimes, das sich die Verdrängung der Juden aus der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft zum Ziel gesetzt hatte. Mit Isidor Loewe war einer der angesehensten jüdischen Unternehmer Berlins an der Gründung der Knorr-Bremse beteiligt gewesen, und noch bis 1932 hatte ein Mitglied seiner Familie dem Aufsichtsrat angehört. Zum Zeitpunkt der »Machtergreifung« gab es im Knorr-Bremse Konzern aber nur wenige jüdische Mitarbeiter in herausgehobenen Funktionen.
Einer langjährigen Mitarbeiterin der Carl Hasse & Wrede GmbH, Käthe Jacobi, die dort zuletzt mit der gesamten Kassenführung betraut war, wurde am 21. Oktober 1935 eröffnet, daß sie als Jüdin nicht mehr Angestellte der Firma sein könne. Im Februar 1937 schied auch das jüdische Vorstandsmitglied der Süddeutschen Bremsen-AG in München, Wilhelm Strauß, aus seiner Funktion aus. Es läßt sich nicht mehr rekonstruieren, inwieweit dabei politischer Druck eine Rolle gespielt hat. Mit der Trennung von Strauß reagierte Vielmetter einer späteren Darstellung zufolge auf ein entsprechendes Verlangen der Zentrale der nationalsozialistischen Deutschen Arbeitsfront. Antisemitische Affekte seitens der Konzernleitung sind jedenfalls nicht zu erkennen.
Sowohl Käthe Jacobi, die sich nach ihrer Entlassung an Johannes P. Vielmetter persönlich wandte, als auch Wilhelm Strauß wurden von der Firma, für die sie jeweils gearbeitet hatten, anschließend finanziell unterstützt. Herbert Waldschmidt, der 1934 im Vorstand der Südbremse an die Seite von Strauß getreten war, beschäftigte weiterhin eine »nichtarische« Sekretärin und konnte sie dadurch bis kurz vor Kriegsende vor Verfolgung schützen. Ebenso wie der rechtzeitig emigrierte Strauß war sie nach dem Krieg wieder für das Unternehmen tätig. Der Schwiegersohn von Julius Wrede und ehemalige Geschäftsführer Günther Beling, nach nationalsozialistischen Begriffen ein »Halbjude«, wurde am 2. Mai 1933 sogar anstelle des verstorbenen Walter Waldschmidt in den Aufsichtsrat der Carl Hasse & Wrede GmbH gewählt, dem er für die restliche Dauer des »Dritten Reichs« angehörte.
Politischer Druck wurde aber nicht nur von außen an die Unternehmen herangetragen. Die Knorr-Bremse AG gehörte zu den ersten Großbetrieben, in denen bereits 1927/28 nationalsozialistische »Betriebszellen« in der Belegschaft entstanden waren. Nach der »Machtergreifung« des Hitler-Regimes wurde auch die Betriebsverfassung gleichgeschaltet. Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) trat an die Stelle der bisherigen Gewerkschaften, der gewählte Betriebsrat wurde durch einen »Vertrauensrat« ersetzt, und die Einsetzung staatlicher »Treuhänder der Arbeit« beendete die Tarifautonomie.
Das »Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit« vom 20. Januar 1934 erforderte auch eine neue Betriebsordnung für die Knorr-Bremse AG, mit der Johannes P. Vielmetter die Funktion des »Betriebsführers« gegenüber der »Gefolgschaft« übernahm. Der Versuch der DAF, das nationalsozialistische Führerprinzip in der Unternehmensorganisation zu verankern, blieb aber Makulatur. Immerhin bot er jedoch einer Heerschar von Denunzianten und Karrieristen politische Angriffsflächen.
Mit Antrag vom 10. September 1937 trat Johannes P. Vielmetter der NSDAP bei. Auf eine politische Annäherung an die Partei des »Führers« läßt sich daraus kaum schließen, und die Partei ihrerseits registrierte sehr wohl, wer es an der »vorbildlichen Haltung« in ihrem Sinne fehlen ließ. Das Aufnahmegesuch des technischen Direktors Wilhelm Hildebrand vom 8. Dezember 1939 wurde ebenso abgelehnt wie dasjenige des Prokuristen und Leiters der Auslandsabteilung Reinhard Burkhardt vom 3. Juni 1941, dem das Parteigericht seine früher offen gezeigte Distanz zur Last legte. In München trat Herbert Waldschmidt 1937 der Partei bei. Ebenso beantragte Wilhelm Holzhäuser, der Nachfolger von Wilhelm Strauß im Vorstand der Südbremse, die Mitgliedschaft; der Antrag wurde wegen seiner früheren Zugehörigkeit zu einer Freimaurerloge allerdings erst fünf Jahre später per »Gnadenerlaß« genehmigt.
In politisches Fahrwasser geriet schließlich auch die Frage des Generationswechsels in n der Leitung der Knorr-Bremse AG. Seit der Gründung hatte das Unternehmen immer Züge eines Familienunternehmens getragen. Zwar war die Firma 1911 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden, und die Bindung der Aktien in einem Syndikat hatte die Börseneinführung erleichtern sollen, die man im Hinblick auf geplante Erweiterungen doch immerhin im Auge gehabt hatte. Dazu war es dann freilich nie gekommen. Die turbulenten Entwicklungen der 1920er Jahre hatten die Knorr-Bremse AG zu einem Eigentümerunternehmen werden lassen. Als Wilhelm Hildebrand 1941 den Syndikatsvertrag kündigte, war Vielmetter mit inzwischen 87,3 % des Stammkapitals freier Hauptaktionär der Knorr-Bremse AG.
Inzwischen war das Unternehmen erneut in einer schwierigen Situation, die ganz anders gelagert war als die zehn Jahre zuvor gemeisterte Wirtschaftskrise. Die gestiegenen Anforderungen an die Produktion ließen sich nur mit Mühe und unter erheblichen finanziellen Aufwendungen bewältigen. Die Kreditaufnahmen bei der Deutschen Bank waren schon bei Kriegsbeginn auf fast 11 Mio. RM angewachsen und wurden mit Sorge in deren Vorstand diskutiert. Man konnte in dieser Situation versuchen, sich mit starken oder vermeintlich starken Partnern zu verbünden, wie es die mit der Ludw. Loewe & Co. AG vereinigte Gesfürel tat, deren Fusion mit der großen AEG am 19. Februar 1942 beschlossen wurde. Vielmetter wurde damit auch Mitglied des Aufsichtsrats der AEG. Für sein Unternehmen zog er einen solchen Schritt aber nicht in Erwägung, und er zeigte auch keine Initiative, die Führung des Unternehmens, die er seit 1907 zunehmend unumschränkt ausgeübt hatte, in neue Hände überzuleiten. Längst wurde im Aufsichtsrat auch die Nachfolgefrage in Bezug auf den Vorstand diskutiert. Bei Kriegsbeginn war Johannes P. Vielmetter 79 Jahre, Wilhelm Hildebrand 70 Jahre alt. Der technische Vorstand blickte auf eine 40jährige Tätigkeit für die Entwicklung der Eisenbahn-Druckluftbremse zurück. Bereits an der Entwicklung der Kunze-Knorr-Bremse hatte er maßgeblich mitgewirkt.
Unter offenkundig politischen Vorzeichen entschloß sich Vielmetter 1937 erstmals zu einer personellen Ergänzung des Vorstands der Knorr-Bremse AG. Das neue Vorstandsmitglied Oskar Maretzky hatte bereits als Bürgermeister von Lichtenberg seit 1912 in Verbindung mit dem Unternehmen gestanden. Wegen seiner Unterstützung des Kapp-Putsches gegen die Weimarer Republik 1920 aus dem Amt entlassen, hatte sich Maretzky nach der »Machtergreifung« auf die Seite des neuen Regimes geschlagen und war zum kommissarischen Oberbürgermeister der Reichshauptstadt ernannt worden. Er versah sein Amt als verwaltungs- technisch kompetentes Aushängeschild des Regimes ohne wirklichen politischen Einfluß.
Bei der Abschaffung der selbständigen Gemeindeverwaltung mußte er das Amt 1937 aufgeben und trat in den Dienst der Knorr-Bremse AG, wo er zum Jahresbeginn 1938 in den Vorstand berufen wurde. Der Bürgermeister a. D. genoß das Vertrauen Vielmetters und vertrat das Unternehmen auch in Verhandlungen mit der Reichsbahn. Er erwies sich jedoch als Fehlgriff, da er nicht etwa das Unternehmen politisch nach außen abschirmte, sondern vielmehr gegen dessen Leitung intrigierte. Nach eigenen Angaben veranlaßte er 1940 den »Treuhänder der Arbeit«, Vielmetter »durch scharfen Druck« dazu zu bewegen, die Funktion des Betriebsführers aufzugeben.
Inzwischen ging auch der betriebliche »Vertrauensrat« in die Offensive. Am 7. November 1940 verlangte er von Vielmetter die Ablösung des Personalchefs und anderer politisch mißliebiger Mitarbeiter, die sich nicht darauf verstehen wollten, ihre Aufgaben »im nationalsozialistischen Sinne« wahrzunehmen. Vielmetter legte die Funktion des Betriebsführers am 16. Dezember 1940 nieder. Das unbequeme Amt übernahm der bisherige Geschäftsführer des Stahlwerks Volmarstein, Hellmuth Goerz, der damit zugleich in den Vorstand der Knorr-Bremse AG einrückte. Maretzky schied im Januar 1941 »auf Grund freundschaftlicher Verständigung« wieder aus dem Unternehmen aus.

Der politische Druck hatte sich inzwischen erheblich verstärkt. Zugleich nahm die betriebliche Belastung durch die Kriegswirtschaft ständig zu. Dabei ließ sich kaum mehr übersehen, daß das Unternehmen einer wirklich straffen Führung mehr und mehr entbehrte. Am 28. Februar 1943 schied Wilhelm Hildebrand aus dem Vorstand aus. Er starb bereits am 24. Dezember 1943 im Alter von 74 Jahren.
Nach seinem Ausscheiden wurde der Vorstand um drei Mitglieder ergänzt. Mit dem bisherigen technischen Vorstandsassistenten Friedrich Hildebrand rückte der Sohn Wilhelm Hildebrands in den Vorstand ein. Kurt Anhalt, ebenfalls neu im Vorstand, gehörte dem Unternehmen seit fast 20 Jahren an und hatte die Abteilung III für Autobremsen aufgebaut. Er war mit der Witwe des verstorbenen Sohnes von Johannes P. Vielmetter verheiratet. Das dritte neue Vorstandsmitglied Alfred Woeltjen war dagegen erst im November 1942 in die Knorr-Bremse AG eingetreten, um technische Leitungsaufgaben zu übernehmen. Der Ingenieur war seit 1934 im Technischen Amt des Reichsluftfahrtministeriums unter Hermann Göring beschäftigt gewesen.
Auf politischen Druck sollte schließlich im Jahr 1943 Johannes P. Vielmetter selbst aus dem Vorstand ausscheiden, nachdem er im erweiterten Vorstand zunächst das neu geschaffene Amt des Vorstandsvorsitzenden einnahm. Erneut arbeitete Oskar Maretzky gegen ihn und denunzierte ihn wegen angeblicher altersbedingter Führungsschwäche bei dem Leiter des »Hauptausschusses Schienenfahrzeuge« (HAS) beim Reichsminister für Bewaffnung und Munition, Gerhard Degenkolb.
Der neue Betriebsführer Hellmuth Goerz gehörte den für Bremsen zuständigen Unterausschüssen des 1942 zur Produktionslenkung geschaffenen Organs an. Politischen Einfluß vermittelten diese Funktionen allerdings nicht. Sie gewährleisteten offenbar nicht einmal in gewohntem Ausmaß die Beteiligung an der Festlegung technischer Ausrüstungsstandards. Ziel der Einschaltung in die Arbeit der Ausschüsse war es vor allem, »zu vermeiden, daß unsere Lieferungen von Betriebsfremden gesteuert werden«. Nicht umsonst wurde Degenkolb von seinem Minister Albert Speer als »unumschränkter Diktator« des Schienenfahrzeugbaus gerühmt. Degenkolb hatte eine Untersuchung veranlaßt, die zum Ergebnis gekommen war, daß der Produktionsausstoß der Knorr-Bremse AG hinter demjenigen vergleichbarer Werke zurückblieb. Die Denunziation Maretzkys war daher lediglich der äußere Anlaß, um die folgenden Ereignisse in Gang zu bringen.
Es war die nicht ideologisch gesteuerte, sondern effizienzorientierte Technokratie des Rüstungsministeriums, die Johannes P. Vielmetter schließlich die Führung des Unternehmens aus der Hand nahm. Der Generalreferent Speers, Karl Maria Hettlage, forderte in einem Gespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Knorr-Bremse AG, »ohne Aufhebens nach außenhin« den Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden endlich in die Wege zu leiten. Daraufhin legte Johannes P. Vielmetter am 15. September 1943 nach mehr als 36 Jahren im Vorstand sein Amt als Vorstandsvorsitzender nieder. Zugleich trat Otto Leibrock in den Vorstand ein, der als Syndikus und Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung sowie Assistent Vielmetters dem Unternehmen ebenso wie Friedrich Hildebrand und Kurt Anhalt bereits seit 1924 angehörte.
Tatsächlich waren dem Unternehmenspatriarchen die Zügel zuletzt zunehmend aus den Händen geglitten. Die einst straff geführte Organisation der Knorr-Bremse AG wies unter dem Druck der Kriegswirtschaft erhebliche Abstimmungsmängel auf. Selbst die Sekretärin Vielmetters verfügte schließlich über eine Art Ressorthoheit, die das Unternehmen wenigstens nach dem Urteil des Aufsichtsratsvorsitzenden Millionen kostete. Der aus der Verantwortung scheidende Eigentümerunternehmer suchte die Lösung darin, einen mit weitreichenden Vollmachten ausgestatteten Verantwortlichen an die Spitze der Knorr-Bremse AG zu stellen. Gegen vielfache Bedenken setzte er seinen Willen durch, Alfred Woeltjen als Vorstandsvorsitzenden »mit Entscheidungsgewalt bei Meinungsverschiedenheiten« einzusetzen.
Das mehr und mehr in Bedrängnis geratene Unternehmen vermochte aber auch der neue starke Mann nicht mehr unter eine straffe Leitung zu zwingen. Die Verantwortung für den zunehmenden Produktionsrückgang und die daraus inzwischen resultierende finanzielle Notlage der Knorr-Bremse AG wurde in erster Linie Woeltjen angelastet. Als Johannes P. Vielmetter wenige Monate nach seinem Rückzug aus der Geschäftsleitung am 6. Mai 1944 im Alter von 84 Jahren als Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats der Knorr-Bremse AG starb, eskalierte die Situation vollends. Vergebens forderte der neue Betriebsdirektor Walter Nase ein Ende des »totalen Hauskrieges«. Im Mai 1944 wurde Woeltjen die Verantwortung für die Finanzen entzogen. Gestützt auf das Vermächtnis Vielmetters, hielt sich der schließlich isolierte Vorstandsvorsitzende aber hartnäckig im Amt, bis er am 13. April 1945 kurzerhand seines Büros verwiesen wurde. Berlin lag inzwischen unter dem Dauerbeschuß sowjetischer Artillerie.
Hinter den personellen Konflikten verbarg sich eine krisenhafte Entwicklung, die das Unternehmen mit zunehmender Dauer des Krieges erfaßte. Trotz des immer größeren Mangels an Arbeitskräften und Rohstoffen war es der Knorr-Bremse AG bis 1943 gelungen, die Produktion kontinuierlich zu steigern. Der Gesamtumsatz des Unternehmens stieg von 41,3 Mio. RM im Jahr 1938 auf 98,2 Mio. RM im Jahr 1943. Im Herbst 1943 trat jedoch, bedingt durch Bombenschäden und Verlagerungen, eine anhaltende Verminderung der Produktionsleistung und infolgedessen der Umsätze ein, die das Unternehmen in eine finanzielle Zwangslage führte. Zudem konnten erhebliche Forderungen nicht eingetrieben werden. Der Schuldenstand der Knorr-Bremse AG bei der Deutschen Bank nahm immer beunruhigendere Ausmaße an. Unter den wirtschaftlichen Umständen konnten diese Probleme zwar keine tiefgreifenden Konsequenzen zeitigen. Immerhin gab die Deutsche Bank aber in der Person des Aufsichtsratsvorsitzenden Fritz Wintermantel dem Vorstand im August 1944 zu verstehen, daß sie nicht gewillt sei, die ausgeschöpften Kreditlinien weiter zu erhöhen. Auch die für die Zukunft des Unternehmens entscheidende Forschungs- und Entwicklungsarbeit wurde immer mehr erschwert.
Zunehmend wurde Knorr-Bremse auch durch die Kriegsereignisse in Mitleidenschaft gezogen. Seit Anfang 1943 war das Berliner Werk wiederholt von Luftangriffen betroffen. Am 8. Mai 1944 forderte ein Angriff elf Tote und weit über hundert Verletzte. Auch die anderen Werke des Konzerns blieben von Bombenschäden nicht verschont. Auf das Werksgelände der Südbremse gingen bei einem Luftangriff in der Nacht vom 8. auf den 9. März 1943 rund 600 Brandbomben nieder, denen unter anderem der Motorenprüfstand zum Opfer fiel. Das Zweigwerk der Carl Hasse & Wrede GmbH in Britz wurde am 30. Januar 1944 durch Brandbomben zur Hälfte zerstört.
Die wachsende Bedrohung der Werke zog fieberhafte Bemühungen um Ausweichstandorte nach sich. Der noch im November 1944 erwogene Einzug in die weltberühmte Meißener Porzellanmanufaktur unterblieb wegen der verwinkelten Räumlichkeiten. Auch der Gedanke, in den geräumten Dresdener Museen eine Ausweichproduktion aufzuziehen, ließ sich zum Glück für das Unternehmen nicht verwirklichen. Die Elbmetropole wurde in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945 von der alliierten Luftwaffe zerstört. Die Süddeutsche Bremsen AG fand dagegen eine nähergelegene Zuflucht vor dem Bombenhagel, der die deutschen Städte in den letzten Kriegsjahren heimsuchte. In den leerstehenden Bierkellern der Franziskaner-Brauerei richtete sie ein Werk II für die Herstellung von Pumpen für Flugzeugmotoren ein.
Beim Vormarsch der Roten Armee verlor die Knorr-Bremse AG mit den Ausweichbetrieben in Myschkow und Sosnowitz ihre wertvollsten Maschinen. Am 20. Januar 1945 brachen 300 Berliner und 100 ausländische Beschäftigte aus Sosnowitz zu einem zehntägigen Fußmarsch nach Berlin auf. Dort machte man sich unterdessen trotz Verbots Gedanken über Möglichkeiten des Übergangs zur Friedensproduktion und setzte dabei Hoffnungen in den Vertrieb von preßluftgetriebenen Aufreißhämmern. Der Vorstand beschloß allerdings in seiner Sitzung vom 12. März 1945, auch im Fall einer Einnahme der Reichshauptstadt durch die Rote Armee in Berlin zu bleiben. Die schweren Maschinen ließen sich nicht so leicht nach Westen verlagern wie etwa die Wertpapiere aus den Tresoren der Deutschen Bank, die zur gleichen Zeit die Einrichtung einer Ersatzzentrale in Hamburg beschloß.

Ihr Vorstandsmitglied Fritz Wintermantel hatte anstelle des 1937 verstorbenen Gustaf Schlieper den Vorsitz im Aufsichtsrat der Knorr-Bremse AG übernommen und war von Johannes P. Vielmetter zum Nachlaßverwalter über dessen Vermögen eingesetzt worden. Während der Fabrikationsbetrieb immer häufiger durch Bombenalarm unterbrochen wurde, versuchte man sich allmählich auf den Tag X einzustellen. Durch Hereinholung von Sonderaufträgen wollte man die verbliebenen Fachkräfte vor der Einberufung zu Wehrmacht und Volkssturm bewahren. Fünf Tage vor der Besetzung des Werkes durch die Rote Armee mahnte der Aufsichtsratsvorsitzende schließlich, man möge doch die Produktion von Friedensgütern auf Vorrat nicht vernachlässigen.
An den im Felde stehenden Enkel und designierten Nachfolger Vielmetters schrieb Wintermantel bereits zu Weihnachten 1944:
»Wir wollen hoffen, daß im Laufe des neuen Jahres die Friedensschalmeien ertönen und einen guten Frieden verkünden werden. Bleiben Sie gesund und tatenfreudig, Sie werden unendlich viel Gelegenheit haben, sich großen Aufgaben zu widmen.«