„Wir wollen als Drehscheibe für die ganze Region agieren“

Ob im Highspeedzug durch faszinierende Landschaften oder mit der Metro effizient unter dem Großstadtgewirr hindurch: Das Schienenverkehrsnetz in China hat sich in drei Jahrzehnten revolutioniert. Für Knorr-Bremse ist das Land einer der wichtigsten Märkte. Da der Wettbewerb zunimmt, investiert das Unternehmen in neue Produkte, modernen Kundenservice und Hightech-Einrichtungen wie das neue Training Lab in Suzhou. Das Center ist zukunftsweisender Showroom neuer Zugtechnologien – und lässt Kunden von direkten Produktvorführungen und -simulationen profitieren. Wie das gelingen kann, berichtet Frank Qian, Leiter des Rail-Hauptstandorts Suzhou.

Porträtfoto von Frank Qian, Leiter des Knorr-Bremse Rail-Hauptstandorts SuzhouPorträtfoto von Frank Qian, Leiter des Knorr-Bremse Rail-Hauptstandorts Suzhou
Frank Qian ist Mitglied des Knorr-Bremse Rail Vehicle Systems China Board und Managing Director des Standorts Systems for Rail Vehicles Suzhou . Nach Tätigkeiten in verschiedenen Branchen arbeitet der Ingenieur und passionierte Bahnfahrer seit 2007 bei Knorr-Bremse.

Herr Qian, welche Rolle hat Knorr-Bremse der Rail-Standort Suzhou im Knorr-Bremse Konzern inne?

Frank Qian: Suzhou ist seit der Gründung 2005 zu einem der wichtigsten Produktions-, Entwicklungs- und Teststandorte im Konzern gewachsen. Wir produzieren Bremssysteme für den nationalen und internationalen Markt. Gerade mit unserem großen Testzentrum können wir die hohen Lokalisierungsanforderungen erfüllen. Stolz sind wir auch auf unser F&E-Zentrum. Als einer der Hauptentwicklungsstandorte der Division Rail übernehmen wir einen guten Teil der internationalen Innovationsaufgaben, insbesondere in der Region Asien-Pazifik. Gibt es gibt ein neues Bremssystem, dann kann Suzhou mit seiner Kompetenz die Projektleitung für spezifizierte Lösungen übernehmen. Ein Beispiel ist die Entwicklung unserer intelligenten Plattform für Wartungs- und Betriebsservices (iMOS), die auf den chinesischen Markt zugeschnitten ist.

Wie reifte der Gedanke eines eigenen Training Labs?

Wir haben nach einer Möglichkeit gesucht, unseren chinesischen und asiatischen Kunden den Technologiekosmos vorzustellen, den wir in China und weiteren Märkten in Asien-Pazifik anbieten. Dazu bot sich ein Test- und Schulungszentrum in Suzhou an. Denn in China mit seiner recht jungen Historie im modernen Schienenverkehr, der im Prinzip erst in den vergangenen 20 Jahren enorm an Fahrt aufgenommen hat, besteht ein großer Informationsbedarf. Das haben wir auch in Kundengesprächen erkannt. Dabei geht es um die Demonstration und Testmöglichkeiten von Technologien und ihren Upgrades, von Produktinnovationen wie der intelligenten Luftversorgungseinheit für Bremssysteme AirSupply Smart oder RailServices-Leistungen über den gesamten Lebenszyklus von Zügen.

Vermutlich sind auch Kundenschulungen einfacher umzusetzen?

Die Kunden profitieren sehr. Bisher haben sie mehrtägige Schulungen meist in Europa absolviert. Nun bietet auch das regionale Training Lab in Suzhou zahlreiche Vorteile: Es lassen sich mehr Kunden bei geringerem Zeitaufwand schulen. Zudem können chinesische Teilnehmer ihre Fragen in der Landessprache stellen, was die Kommunikation und das Verständnis verbessert. Für uns ist das eine weitere große Chance zur Kundenbindung, zur Demonstrierung unserer Innovationsstärke sowie ein Pluspunkt im verstärkten Wettbewerb.

Wer hat Sie bei der Konzeption des Training Labs inspiriert?

Das Training Lab in Suzhou ist eine Neueröffnung, vergleichbares gab es hier nicht. Wertvolles Know-how zur Planung und Umsetzung unseres Training Lab haben wir während Besuchen am Knorr-Bremse Standort und im Trainingszentrum der Deutschen Bahn, beides in Berlin, gewonnen. Bei aller Virtualität war es uns dennoch wichtig, Schulungen mit echten Produkten anbieten zu können. Dieses Konzept zahlt sich mit hoher Aufmerksamkeit und Lernerfolg aus. Natürlich bieten wir von unserem Training Lab auch Fernschulungen an. So können wir Wissen direkt aus Suzhou zum Kunden – etwa einem Metrobetreiber – schicken, damit zum Zugführer sich mit neuen Funktionen der Bremssysteme vertraut machen können und im Betrieb so in der Lage sind, jederzeit vorausschauend und sicher zu handeln.

Knorr-Bremse in Suzhou

Knorr-Bremse Systems for Rail Vehicles (Suzhou) Co. Ltd., 2005 gegründet, ist eine bedeutende Produktionsstätte für Bremssteuerungen, Drehgestellausrüstung, Luftversorgung und Hydraulik im dynamischen chinesischen Inlands- und Exportmarkt. 2016 folgte auf eine Erweiterung des Werks der Ausbau des Testzentrums für Systeme für Schienenfahrzeuge nach modernsten Standards. Dadurch kann Knorr-Bremse die hohen Lokalisierungsanforderungen für den regionalen Markt erfüllen. Neuentwicklungen werden hier an verschiedensten Prüfständen getestet, unter anderem an einem voll ausgestatteten Schwungmassenprüfstand, der zuvor nur in der Münchner Firmenzentrale für Knorr- Bremse im Einsatz war.

Im F&E-Zentrum Suzhou erledigen fast 100 Ingenieure mehr als 90 % der kundenspezifischen Engineering-Aufgaben für die Projekte von Knorr-Bremse im chinesischen Markt. Dabei sind sie für sämtliche Aspekte wie Installationsuntersuchung, Teilprojektmanagement, Serienkonstruktion und Validierungstests von Luftversorgung, Drehgestellausrüstung, Bremsensteuerung und Hydraulik verantwortlich. Aber auch einen Teil der internationalen Innovationsaufgaben hat das F & E-Zentrum Suzhou für Knorr-Bremse übernommen. Mit dem Training Lab setzt Knorr-Bremse einmal mehr auf absolute Kundennähe im chinesischen Markt.

Ende Oktober 2023 nahmen Vorstandsmitglied Nicolas Lange und Jonathan Paddison, Mitglied der Geschäftsführung von Knorr-Bremse Asia Pacific, mit internationalen Kollegen und lokalen Mitarbeitern an der Einweihungsfeier des Training Lab in Suzhou teil.

Dr. Nicolas Lange testet selbst die Möglichkeiten eines Simulators für Zugführer. Dr. Nicolas Lange testet selbst die Möglichkeiten eines Simulators für Zugführer.

Das Training Lab ist ein weiterer Schritt, um mit Kundennähe und außergewöhnlichem Service die Position von Knorr-Bremse im chinesischen Bahnsektor zu festigen.

Das Team in Suzhou ist stolz auf das neue Trainingslabor und freut sich auf die ersten Kunden. Das Team in Suzhou ist stolz auf das neue Trainingslabor und freut sich auf die ersten Kunden.

Wer besucht Sie im Training Lab?

Im Training Lab erwarten wir neben Kunden auch die Teilnehmenden unserer Vertriebs-Schulungen sowie Vertreter des chinesischen Verkehrs- und Transportwesens. Wir werden unser Konzept schrittweise erweitern, damit wir vor allem bestehenden und potenziellen Kunden maßgeschneiderte Learning Sessions und Trainings anbieten können. Zum Beispiel arbeiten wir an Konzepten, mit denen Kunden die Vorteile der vorausschauenden und zustandsorientierten Instandhaltung (Predictive Maintenance und Condition-Based Maintenance) in das Center integrieren können. Das interessiert Schienenverkehrsexperten über China hinaus im asiatisch-pazifischen Raum, da datenbasierte Serviceleistungen einen erheblichen Beitrag zu mehr verfügbaren und pünktlichen Zügen auf der Strecke leisten können. Perspektivisch wollen wir mit dem Training Lab als Drehschreibe für neue Produkte, Know-how, Service und „Erleben“ unseres Angebots in der Region agieren.

Was gibt es im Training Lab konkret zu sehen?

Unser Ziel ist es, im Training Lab das Produktportfolio von Knorr-Bremse abzubilden, das bedeutet Hard- und Software sowie Services. Als F&E-Zentrum für Bremstechnologie haben wir zuerst unsere Kompetenz in diesem Bereich genutzt. Das gilt für den Personen- und Güterverkehr. Hier werden wir zum Beispiel die neue Generation der intelligenten Luftversorgungseinheit für Bremssysteme AirSupply Smart sowie Upgrade-Lösungen für CCBIIe-Bremssysteme von Lokomotiven präsentieren. Zudem wollen wir weitere sicherheits- und betriebskritische Systeme wie Türen oder Klimaanlagen mit ihren neuesten Funktionen vorstellen, unter anderem den LIFEDrive bei Einstiegssystemen oder intelligente Lösungen zur Luftverteilung, Filtrierung und Reinigung von Merak.

Das neue Training Lab in Suzhou, China, bietet ein komplettes Angebot an technischen Demonstrationen, Testmöglichkeiten und Schulungsdienstleistungen für die Schienenfahrzeugsysteme der nächsten Generation.
Auf einer Fläche von 200 m² können Kunden – Zughersteller und Bahnbetreiber – die innovativen Lösungen für wichtige Zugtechnologien wie Brems-, Einstiegs- und Klimatisierungssysteme sowie Signaltechnik erkunden.

Damit wären wir bei der Digitalisierung. Wie sind Sie an dieses Thema herangegangen?

Die Digitalisierung ist ein weites und ewig junges Gesprächsthema. Entscheidend ist: Wie generieren wir einen Mehrwert, den der Kunde bereitwillig bezahlt? Deshalb müssen wir im Schulungscenter neben den Ingenieuren zuallererst auch das Management der Kunden informieren. Es muss den Nutzen einer digitalen Lösung verstehen, den Mehrwert für die Bewältigung seiner Herausforderungen. Deshalb machen wir diese Digitaltechnologie praktisch sichtbar. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit der Software-Abteilung für Bremssysteme, die ja voller Sensoren stecken. Hier sehen wir besonders große Chancen im Bereich der bereits erwähnten zustandsbasierten Wartung. Die Optimierung des Wartungszyklus ist eine zentrale Anforderung jedes chinesischen Betreibers, vor allem bei U-Bahnen.

Ist also die zustandsbasierte Wartung ein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell?

Wir sehen große Chancen und Geschäftspotenziale darin. Mit unserem Wissen und digitalen Lösungen können wir im laufenden Bahnbetrieb den Wartungsbedarf einzelner Komponenten zunehmend hochpräzise vorauszusagen. Wir setzen darauf, dass das langfristig gutes und wachsendes Rail-Geschäft generiert, was ein potenzielles Absinken der Verkäufe von Ersatzteilen mittel- bis langfristig kompensieren wird. Gerade im Bereich digitale Lösungen für sicherheitskritische Systeme wie die Bremse wollen wir uns eine Schlüsselposition im chinesischen Markt erarbeiten, insbesondere bei Metros und im Bereich RailServices. So können wir im Wettbewerb einen Schritt voraus sein.

Welche Kunden nutzen das Training Lab als erstes im großen Stil?

Wir haben ein neues Trainingskonzept mit einigen Pilotprojekten aufgesetzt und sind jetzt gespannt auf das Feedback der Kunden. Zu den ersten Kunden zählt der Betreiber der neuen Metro in Luo Yang, wir werden die Fahrer zu den Bremssystemen im Training Lab schulen. Auch die Metro Shanghai werden wir mit Schulungen unterstützen. Die direkte Schulung der Betreiber in den chinesischen Metropolen macht Sinn, denn sie besitzen umfangreiche U-Bahn-Netze, zuweilen über ist 1.000 km lang, bei einem enormen Passagieraufkommen. Gefordert ist hier eine hohe Fahrfrequenz von teilweise alle 90 oder 120 Sekunden. Ein lokaler Trainer kann die Fragen der Teilnehmer sofort nachvollziehen.

Können Sie solch ein Training für Metrofahrerinnen und -fahrer näher beschreiben?

Wie lernt man U-Bahn fahren? Sie haben die exakte Schalttafel einer U-Bahn und ein Abbild der Umgebung. Dann fährt die Fahrerin oder der Fahrer virtuell los und befolgt die Anweisungen, wie zu beschleunigen oder eben zu bremsen ist. Auch eine Notbremsung oder mögliches Fehlverhalten des Fahrers können wir simulieren bzw. darauf reagieren. Besser ausgebildetes Zugpersonal stärkt das Sicherheitsgefühl und die Zuverlässigkeit im Zugbetrieb, was die Fahrgäste schätzen.

Haben Sie ein Lieblingsexponat im Training Lab?

Die Darstellung der Leistungsstärke unserer Bremssysteme ist hochspannend. Denn auch viele Branchenexperten sehen erstmals im Schulungszentrum die detaillierte Funktionsweise eines Bremssystems für Schienenfahrzeuge. Das steckt unter einer Glasabdeckung und der Beobachtende sieht genau den Moment der elektronischen bzw. pneumatischen und mechanischen Kraftübertragung und Bremswirkung. Er versteht den Vorgang, warum ein Zug hält. Die Besucher lieben diese Darstellung, die ist nicht abstrakt, sie ist echt.

Die chinesischen Hochgeschwindigkeitszüge sind berühmt. Welches ist Ihre Lieblingsstrecke?

Das ist einfach zu beantworten: Die Strecke Suzhou-Peking, denn in der Hauptstadt lebt meine Familie. Freitags nachmittags geht es dorthin zurück und montags in 4:28 Stunden wieder nach Suzhou zur Arbeit. Ich erinnere mich an die früheren Nachtzüge auf dieser Strecke, in denen die Menschen erst samstags morgens in Peking ankamen. Die chinesische Highspeed-Verbindung und auch Knorr-Bremse haben meine Lebensqualität und die unzähliger anderer Pendler unfassbar erhöht – ein Gefühl, wie es besser nicht sein könnte.

Info

Das Training Lab Suzhou auf einen Blick

  • Eröffnung: Oktober 2023
  • Fläche von 200 m²
  • Angebot: Technologie-Demonstrationen, Testmöglichkeiten und Schulungsdienstleistungen
  • Exponate: Brems-, Einstiegs- und Klimatisierungssysteme sowie Signaltechnik
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