Auf dem Weg zur digitalen Gesamtlösung für Werkstatt und Flotte
Digitalisierung und Konnektivität – im Nutzfahrzeugbereich sind diese Themen längst angekommen, und sie drängen verstärkt in den Aftermarket. Folgerichtig hat Knorr-Bremse seine Position im Bereich digitaler und datengetriebener Aftermarket-Lösungen ausgebaut: mit dem Erwerb eines Mehrheitsanteils an der spanischen COJALI S.L. Der weltweit tätige Entwickler und Hersteller von Diagnosesystemen für Nutzfahrzeuge und Sonder-Fahrzeugtypen gehört mit seiner Mehrmarkendiagnoselösung Jaltest Diagnostics zu den führenden Anbietern. Wie Knorr-Bremse die eigenen digitalen Lösungen mit Jaltest Solutions zusammenführen und sein Geschäft im Bereich des Industrietrends Konnektivität weiter ausbauen will, darüber sprechen wir mit Alexander Wagner, Bereichsleiter Aftermarket/TruckServices EMEA bei Knorr-Bremse Systeme für Nutzfahrzeuge.
Herr Wagner, der Aftermarket im Nutzfahrzeugbereich drängt stark zu datengetriebenen Lösungen. Wie ist Knorr-Bremse durch die Mehrheitsbeteiligung an Cojali aufgestellt?
Alexander Wagner: Wir haben bereits seit vielen Jahren datengetriebene Lösungen und Konnektivität als eine der tiefgreifenden Entwicklungen in der Nutzfahrzeugindustrie erkannt. Heute haben wir einen führenden Diagnoseanbieter mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in unserem Portfolio und stärken damit den Aftermarket von Knorr-Bremse.
Warum ist es für Knorr-Bremse so wichtig, digitale Diagnoselösungen im Portfolio zu haben?
Die Diagnose ist mittlerweile mit das wichtigste Hilfsmittel in den Werkstätten, um die erhöhte Komplexität der Reparatur von Nutzfahrzeugen aufgrund des stetig zunehmenden Elektronik-Anteils bewerkstelligen zu können. Die Mehrmarkendiagnoselösung der Cojali S.L., Jaltest Diagnostics, ermöglicht dabei Fehler unabhängig von den Fahrzeugmarken und -modellen zu erkennen. Aktuell deckt Jaltest Diagnostics bereits mehr als 6.000 Nutzfahrzeugmodelle und 200 Nutzfahrzeugmarken ab. Und damit sind wir unserem Ziel, eine Gesamtlösung für alle Marktteilnehmer zu bieten – ob Händler, Werkstatt oder Flottenbetreiber – sehr viel näher gerückt.
Was bedeutet hier Gesamtlösung?
Zu jedem unserer Produkte fragen wir uns, welche Reparaturlösungen und welchen technischen Support wir dafür anbieten können, wie wir helfen können, den Werkstattbetrieb noch effizienter zu gestalten und den Flottenbetrieb zu optimieren. Wir verstehen uns in diesem Sinne als Systempartner und bieten Lösungen für Handel, Werkstätten und Flotten an.
Neben der Tatsache, dass Jaltest Diagnostics die Fehlerdiagnose von potenziell allen Fahrzeugmarken und -modellen ermöglicht – welche Vorteile bringt die Lösung noch?
Mit Jaltest Diagnostics können natürlich stationäre Diagnosen durchgeführt werden, also Fehler an einem Fahrzeug gefunden werden, das sich zum Check des Fahrzeugzustands in der Werkstatt befindet. Aber die Zukunft liegt in der Ferndiagnose und in deren Weiterentwicklung, der vorausschauenden Wartung. Auch hier bietet Cojali unter dem Namen Jaltest Telematics eine Lösung zur Ferndiagnose an und hat sich in diesem Segment bereits als wichtiger Spieler in Südeuropa etabliert. Bei der Ferndiagnose werden die Funktionen der Fahrzeuge überwacht, Fehler schon im laufenden Betrieb gemeldet und eingeschätzt, wie kritisch diese sind. Durch das Sammeln und Analysieren dieser Daten wird es allerdings künftig auch möglich sein, vorauszusagen, wann an einem Fahrzeug ein gewisser Fehler auftreten wird. Flottenbetreiber können dann Werkstattaufenthalte planen, bevor ein Fehler auftritt. Beides, ob Ferndiagnose oder vorausschauende Wartung, hilft enorm bei der Koordination von Werkstätten und Flottenbetreibern und letztendlich bei der Vermeidung von Stillstandzeiten. Der städtische öffentliche Nahverkehrsbetrieb der spanischen Stadt Valencia hat mit Cojali erst im Januar 2023 die Einführung von Jaltest Telematics vereinbart. Die Installation wird in den kommenden Wochen erfolgen.
Welche Diagnoselösungen hatte Knorr-Bremse bisher im Portfolio?
Die Diagnoselösung von Knorr-Bremse heißt NEO. Diese Lösung deckt unsere Knorr-Bremse-Produkte ab und zeichnet sich durch eine Diagnosetiefe aus, die nur ein Erstausrüster bieten kann. Darüber hinaus bietet NEO eine fehlergeführte Diagnose. Das heißt, der Werkstattmitarbeiter wird durch Fragen zur Lösungsfindung geführt. Das ist wertvoll, weil ein Fehler verschiedene Ursachen haben kann. Im Bereich der Diagnoselösungen ist so eine fehlergeführte Diagnose kein Standard.
Wird die NEO-Werkstattdiagnose eingestellt?
Nein, sie wird als Erweiterung in Jaltest Diagnostics integriert. Das bedeutet, dass Sie mit Jaltest die Bauteile aller möglichen Marken diagnostizieren können, in Zukunft diejenigen von Knorr-Bremse zudem in besonderer Tiefe. Hinzu kommt eine noch detailliertere technische Dokumentation für die Bauteile von Knorr-Bremse, denn natürlich stecken wir dort unser Know-how als Hersteller hinein. Die fehlergeführte Diagnose möchte Cojali im Übrigen in Zukunft auch in anderen Bereichen weiter ausbauen.
Wie wird die Integration von NEO in Jaltest technisch aussehen?
Ziel ist die Vollintegration bis Mitte 2024. Bestehende Jaltest Diagnostics-Nutzer können dann das Knorr-Bremse-Softwarepaket hinzubuchen, inklusive der fehlergeführten Diagnose bei Knorr-Bremse-Komponenten. Bis dahin kann die NEO-Diagnoselösung jetzt schon parallel zu Jaltest Diagnostics auf dem Jaltest-Tester, also der zugehörigen Hardware, aufgespielt werden. Sie kann bis zur Vollintegration auf demselben Gerät unabhängig von Jaltest Diagnostics genutzt werden.
Bisherige Jaltest Diagnostics-Nutzer können also die NEO-Werkstattdiagnose nutzen. Wie ist es umgekehrt?
Werkstätten, die aktuell NEO nutzen, aber Jaltest Diagnostics nicht, bekommen ein attraktives Angebot zum Umstieg auf den Jaltest-Tester. Ein Umstieg, der im täglichen Betrieb Zeit spart, denn der Werkstattmitarbeiter muss dann nicht mehr zwischen seinem Mehrmarkendiagnose-Tester und dem Knorr-Bremse-Tester wechseln. Und Zeit ist ein hohes Gut für Werkstätten, die in der Regel voll ausgelastet sind.
Die Markteinführung des Jaltest Diagnostics-Equipments erfolgt nach der seit 30 Jahren bewährten Strategie, wonach diese Lösungen ausschließlich über Cojalis Vertriebsnetz angeboten werden.
Wie wird Knorr-Bremse Jaltest Diagnostics weiterentwickeln?
Wir arbeiten bereits daran, andere, regionale Diagnoselösungen von Knorr-Bremse mittelfristig in Jaltest zu integrieren. Unser Ziel ist es, dass wir langfristig alle regionalen Lösungen von Knorr-Bremse in Jaltest Diagnostics integrieren, um so Werkstätten in Regionen, in denen sowohl europäische als auch amerikanische oder asiatische Fahrzeuge unterwegs sind – Afrika oder Australien zum Beispiel – zu ermöglichen, diese mit nur einem Diagnosewerkzeug zu analysieren. Wir sehen ein weiteres Kooperationsfeld mit Cojali im Bereich der technischen Schulungen, um ein noch größeres Schulungspaket für die einzelnen Regionen anbieten zu können.
Gleichzeitig wird Cojali Jaltest Diagnostics weiterentwickeln, seine Reichweite erhöhen, neue Funktionen hinzufügen und mehrere Versionen der Software pro Jahr auf den Markt bringen, so wie es bisher auch der Fall war.
Und was tut sich zudem im Bereich Konnektivität und smarte Services?
Durch Jaltest Diagnostics und Jaltest Telematics bekommen wir erhebliche Datenmengen aus der Überwachung der Fahrzeugkomponenten und den Werkstattdiagnosen, aber auch über den Kraftstoffverbrauch von Fahrzeugen, ihre Tachodaten, Restfahrzeiten und vieles mehr. Auch das Fahrverhalten der Fahrer wird analysiert. Wir arbeiten darauf hin, Werkstätten wie Flottenbetreibern mit Jaltest Solutions am Ende eine umfassende Plattform zur Verfügung zu stellen. Nach einem Alarm in der Ferndiagnose soll dann beispielsweise direkt sichtbar sein, wo sich die nächste Werkstatt befindet, ob diese zur benötigten Zeit einen Reparaturslot frei und die richtigen Teile zur Verfügung hat.
Und was ist mit der Marke Cojali? Wie wird man sie in Bezug zu Knorr-Bremse in Zukunft wahrnehmen?
Knorr-Bremse wird weiterhin Knorr-Bremse bleiben und Cojali Cojali. Aber wir werden natürlich versuchen, so weit wie möglich das Beste aus beiden Unternehmen einzubringen, um so Synergieeffekte zu heben. Das gilt beispielsweise auch mit Blick auf die Automechanika, bei der wir nebeneinander auftreten möchten und den Messebesuchern dadurch auch deutlich machen, dass unsere Angebote komplementär und eng aufeinander abgestimmt sind. Denn schließlich sind wir ein Perfect Match.