Zwischen Prüfstand und Praxis: „Ein wenig wie bei Star Trek“

Yunus Özşahin vor einem Demonstrator einer elektronischen Bremssteuerung, bei deren Entwicklung er unterstützend mitgewirkt hat. ©Knorr-Bremse

Als Systemarchitekt bei Knorr-Bremse entwickelt Yunus Özşahin gemeinsam mit einem Team die Elektronik für die Zugbremse der Zukunft. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, welche Skills dafür unerlässlich sind – und warum ihm das Tüfteln an Computern und Radios schon als Jugendlicher auf seinem Weg geholfen hat.

Yunus Özşahins Begeisterung ist mit Händen zu greifen. Mit leuchtenden Augen steht er vor einer Wand aus 18 Monitoren, über die komplexe Graphen und Modelle wandern. „Ein wenig wie bei Star Trek“, schmunzelt er. In der TV-Serie steuern Captain Picard und seine Crew mithilfe ihres Holodecks die Geschicke des Raumschiff Enterprise. Die Mission des Teams, in dem Yunus arbeitet, ist von kaum geringerer Relevanz: Seine Einheit trägt dazu bei, das punktgenaue Bremsen von Zügen weltweit noch sicherer, zuverlässiger und effizienter zu machen. Das Testen von Funktionen an Prüfständen ist dazu unerlässlich. „Manchmal sind es bis zu 10.000 Tests, die wir für ein Szenario wie eine Notbremsung durchführen“, verrät er. „Zufrieden sind wir, wenn alle zum selben Ergebnis führen.“

An den Prüfständen werden alle Funktionen der Bremselektronik getestet. Yunus erklärt, wie das funktioniert. ©Knorr-Bremse

Springer zwischen den Welten

Yunus arbeitet als Systemarchitekt im Bereich Global Brake Electronics bei Knorr-Bremse am Hauptsitz in München. Als Schnitt- und Schaltstelle zwischen Projektmanagement und Entwicklern definiert er Architekturen, nach denen eine elektronische Bremssteuerung funktioniert. In anderen Worten: Er hilft sicherzustellen, dass eine Bremse weiß, in welcher Situation sie sich wie verhalten soll. Als „Springer zwischen den Welten“ beschreibt Yunus seine derzeitige Funktion. Welten, die sich ihm selbst erst nach und nach erschlossen haben.

Yunus ist seit vier Monaten in seinem Team, doch Knorr-Bremse kennt er schon länger. Vor seiner aktuellen Stelle hat der 27-Jährige parallel zu seinem Studium der Elektrotechnik drei Jahre als Werkstudent im Bereich Bremselektronik gearbeitet – und wurde übernommen. In diesen Lehrjahren hat er geholfen, für die Bremssteuerungen Testkarten zu konfigurieren. So, dass sie in Tests an den Prüfständen und in der Praxis als Teil des Bremssystems etwa Druckluftventile öffnen und schließen oder der Sandungsanlage, über die fast jedes Bremssystem verfügt, korrekte Befehle erteilen. „Oft eine ziemliche Detailarbeit“, erzählt er. Angesichts hochkomplexer Technologien jedoch unbedingt erforderlich.

Planung für ein digitales Zukunftsprojekt

Als Systemarchitekt hat Yunus im Bereich Bremselektronik die Rolle eines Mittelsmanns. „Im Kern helfe ich, bei der Entwicklung unserer Bremselektronik-Produkte anhand technischer und kommerzieller Aspekte die richtigen Anforderungen einzuplanen, welche schließlich von den Entwicklerteams erfüllt werden“, sagt er. Aktuell arbeitet er an einem digitalen Zukunftsprojekt . Ziel ist eine Plattform, mithilfe derer sich die projektspezifischen Anforderungen an ein Bremssystem für Züge noch schneller umsetzen lassen sollen. Im Zuge dessen entwirft das Bremselektronik-Team ein internes Simulationstool , welches das virtuelle Testen und Steuern einzelner Komponenten erlaubt, ohne das ganze System zu prüfen – ebenfalls ein Schritt, um den Entwicklungsprozess effizienter zu gestalten.

Mich beeindruckt die enorme Sicherheitsrelevanz, die unser aller Arbeit hat. Nur durch immensen Testaufwand ist es möglich, absolut zuverlässige Produkte zu erschaffen, die den speziellen Zulassungskriterien der sechs großen Eisenbahnstandards auf der Welt entsprechen.

Yunus Özşahin – Systemarchitekt bei Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge

Eigeninitiative, Flexibilität – und Lust am Experimentieren

Was Yunus an der Arbeit fasziniert? „Mich beeindruckt die enorme Sicherheitsrelevanz, die unser aller Arbeit hat“, sagt er. Nur durch immensen Testaufwand ist es möglich, absolut zuverlässige Produkte zu erschaffen, die den speziellen Zulassungskriterien der sechs großen Eisenbahnstandards auf der Welt entsprechen. Nicht selten bedeutet das, mit Zeitdruck und Komplexität umzugehen. Die wichtigsten Skills in seinem Job? Laut Yunus Eigeninitiative und Ehrgeiz, Flexibilität und analytisches Denken. „Bei kniffligen Fragestellungen ist eine gewisse Lust am Experimentieren nicht schlecht“, ergänzt er. Die Fähigkeit scheint ihm in die Wiege gelegt zu sein: Als Mitglied einer Familie aus Technikern hat er schon als Jugendlicher defekte Rechner und Radios repariert – und sich früh den Ruf als Tüftler erarbeitet.

„Made by Knorr-Bremse“: Aus München in die ganze Welt

Stolz macht Yunus das Wissen, wo die Produkte zur Anwendung kommen. So sind die von seinem Team mitentwickelten Bremssystemsteuerungen etwa in Regionalzügen vom Typ Desiro Classic der Deutschen Bahn sowie in Smart Coradia Regionalbahnen in Italien im Einsatz. In Großbritannien sind sie in zahlreichen Fernzügen verbaut, zum Beispiel im Intercity Express, der zwischen London und Bristol pendelt . Und sogar in Indien fahren die Metro in Delhi sowie eine Reihe elektrischer Intercity-Züge mit „ihren“ Bremselektroniken an Bord. Das ist es, was ihn als „Knorrianer“ für seine Mission brennen lässt: „Hier kann man die Dinge ins Rollen bringen,“ sagt Yunus. „Alles ist in Bewegung.“

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