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97 %: Der TGV der Zukunft.

Der Bahntechnikkonstrukteur Alstom entwickelt für den französischen Bahnbetreiber SNCF einen der nachhaltigsten Hochgeschwindigkeitszüge weltweit. Konstrukteur und Zulieferer praktizieren mit ihren Partnern dabei auch eine neue, kollaborative Form der Zusammenarbeit. Knorr-Bremse ist Teil dieses erfolgreichen Konzepts.

2023 soll er über die französischen Gleise rauschen: der Avelia Horizon™. Der französische Bahnbetreiber SNCF nennt ihn „den TGV der Zukunft“. Entwickelt und gebaut wird er von Alstom und zahlreichen Partnern, wie Knorr-Bremse und der Tochtermarke Merak als Zulieferer umweltfreundlicher und moderner Bremssysteme und Klimaanlagen. Die Ansprüche des Auftraggebers SNCF an die neue Generation von Hochgeschwindigkeitszügen sind ambitioniert und zukunftsweisend. Die Antwort darauf ist ein höchst innovativer Hochgeschwindigkeitszug mit beeindruckenden Leistungsmerkmalen: Die Anzahl der Sitzplätze nimmt von 556 (TGV der 2. Generation) auf 740 zu, was einer Erweiterung der Kapazität um 20 % entspricht – bei gleichem Komfort und unveränderter Zuglänge. Geringere Anschaffungskosten (-20 %), weniger Energieverbrauch (-20 %), deutlich reduzierte Wartungskosten (-30 %) und dafür mehr Flexibilität, Modularität und Interoperabilität.

Der AVELIA HORIZON™ ist einer der nachhaltigsten Hochgeschwindigkeitszüge weltweit.

Der neue Avelia Horizon™ wird zu den nachhaltigsten Hochgeschwindigkeitszügen weltweit gehören und genau darauf zahlen auch die neuesten Knorr-Bremse Technologien ein. Der Zug ist vollständig vernetzt, was nicht nur die Angebote für Kommunikation und Unterhaltung verbessert, sondern auch die Übermittlung und Auswertung technischer Daten in Echtzeit und damit die Steuerung und Fernwartung auf einem bisher nicht dagewesenen Niveau ermöglicht. Eine innovative Meisterleistung „a la française“, wie Pascal Désaunay, Directeur du Matériel für SNCF und Directeur Programme TGV 2020, sagt – und die in seinen Worten auch mit einem Abenteuer in den Köpfen aller Beteiligten begann.

Darauf ließen sich die Mitarbeiter von SNCF, Alstom und Knorr-Bremse in einem experimentellen Open-Space-Konzept ein. Anstatt, wie üblich, jeder für sich, arbeitete man am Avelia Horizon™ zusammen. Im „Plateau“, so hieß der Open Space in der Nähe des Pariser Bahnhofs Montparnasse, trafen sich Betreiber, Konstrukteur und Zulieferer auf Augenhöhe und in bisher unbekannter Offenheit.

Samuel Perrin erinnert sich bis heute an „den herrlichen Blick auf Paris“. Für ihn war dieser Ort auch „eine Quelle der Inspiration, der stolz machte, an diesem Projekt mitwirken zu dürfen“. Im „Plateau“ herrschte eine freundliche und moderne Startup-Atmosphäre, mit Kaffeemaschine, Besprechungsecke und Stehtischen, die man für informelle Workshops nutzte. Perrin fungierte als zentraler Ansprechpartner von Knorr-Bremse für Alstom und SNCF rund um das neue Bremssystem für die neue TGV-Plattform und koordinierte zudem das technische Team, das für diese Entwicklung zuständig war. Für die Klimaanlage verantwortete Maite Larraya Irigoyen die Kommunikation zwischen dem Plateau und Merak.

Lagerdenken aufbrechen

Jean-Marc Tessier, Projektleiter bei Alstom, sagt, dass für den Avelia Horizon™ „die Art und Weise, wie wir arbeiten, verändert wurde – hin zu einem partnerschaftlichen Modell, bei dem Auftraggeber, Konstrukteur und Zulieferer sich als Team verstehen.“ Das sagt sich leichter als es umzusetzen ist. Dafür habe man von allen Beteiligten sehr viel verlangt, so Tessier, „vor allem die Bereitschaft, eine neue Art der Zusammenarbeit anzugehen, mit den Überzeugungen unserer jeweiligen Unternehmen zu brechen, und sich auf neue Ideen, einschließlich technologischer Entwicklungen, einzulassen“.

Neben der unbestrittenen technologischen Kompetenz war auch diese Bereitschaft für die neue Art der Kollaboration ein Grund dafür, dass Knorr-Bremse im Jahr 2017 – und damit vom Start weg – als Projektpartner in den Open Space einziehen durfte. Insgesamt arbeiteten fast 800 Experten von SNCF, Alstom und Lieferanten wie Knorr-Bremse in diesem Innovation Lab, darunter Maite Larraya Irigoyen, Key Account Managerin bei der Knorr-Bremse Tochter Merak und Ansprechpartnerin für HVAC-Systeme: „Ich habe mich mit den Kollegen der anderen Unternehmen vom ersten Tag an gut verstanden. Wirklich neu waren die Brainstormings, bei denen wir nicht als Kunde und Lieferant auftraten, sondern wie Kollegen zusammenarbeiteten. Bereits zu Beginn des Entwicklungsprozesses des neuen TGV der Zukunft waren die verschiedenen Gewerke mit an Bord. So zum Beispiel die Kollegen der Instandhaltung, die sich einen Eindruck über den gesamten Produktlebenszyklus verschafften. Auch dass wir zu so einem frühen Stadium auf die Bedürfnisse und die Sichtweise des Betreibers eingehen konnten, war neu.“

Die Arbeit in den Teams war nicht nur von technischer Expertise, sondern auch echter Leidenschaft für das Produkt geprägt. „Es wurden sehr schnell alle Hierarchien vergessen, wir waren alle Experten, egal auf welcher Ebene wir im Unternehmen agieren“, sagt Larraya Irigoyen und fügt an: „Für mich war es das erste Mal, dass ich direkten Kontakt mit den Projektleitern auf Seiten des Konstrukteurs und Betreibers hatte. Das würde ich mir für die Zukunft öfter wünschen, es ist für die gemeinsame Arbeit zielführend.“

Der gemeinsame Fokus lag auf der Entwicklung eines zukunftsweisenden Transportmittels, das Maßstäbe in den Bereichen Nachhaltigkeit, Flexibilität und Komfort setzt und dessen Lebenszykluskosten dennoch deutlich unter denen der Vorgängergenerationen liegen sollte – oder wie es Jean-Marc Tessier ausdrückt: „Wir haben einen Zug geschaffen, der die Ansprüche vieler Betreiber befriedigen kann.“ Alstom liefere in seinen Worten außerdem „ein extrem flexibles Produkt, das sich in kürzester Zeit in der Länge, aber auch in der Segment-Zusammensetzung, also den Bereichen der 1. und 2. Klasse, verändern lässt.“

Dass diese Vorgaben wie Flexibilität sowie geringerer Energieverbrauch und weniger Wartungsaufwand trotz höherer Passagierzahlen erfüllt werden konnten, daran habe Knorr-Bremse einen entscheidenden Anteil, sagt Tessier. „Knorr-Bremse liefert die Bremssysteme und die Klimaanlage, also üblicherweise sehr wartungsintensive Bauteile. Die Wartungskosten drastisch zu reduzieren, war ein wichtiger Schritt hin zur Reduzierung der Lebenszykluskosten.“ Durch eine intelligente Energierückgewinnung bei Bremsvorgängen und eine extrem effiziente Klimaanlage wird zudem weniger Strom verbraucht.

Alstom und Knorr-Bremse stärken mit diesem Erfolg ihre systemübergreifende Kooperation und definieren dabei effiziente Projektrealisierung und hohe Kundenzufriedenheit neu. Wir sind stolz, unser Produktportfolio einbringen zu können.

Dr. Jürgen Wilder – Mitglied des Vorstands der Knorr-Bremse AG, verantwortlich für die Division Systeme für Schienenfahrzeuge

Blick in die Zukunft

Einen neuen Zug zu bauen, „davon träumt jeder Ingenieur“, so Tessier. Das Produkt kommt erst in einigen Jahren auf die Schiene, es wird fortan 30 Jahre in Betrieb sein und muss auch dann noch eine avantgardistische Performance zeigen, vor allem bei nachhaltig wirkenden Themen wie Wartung und Energieeffizienz. Damit verlangt die Entwicklung einer neuen Generation von Zügen immer den Blick in die Zukunft. Tessier sagt: „Wir dürfen uns nicht an heutigen Bedürfnissen orientieren, sondern müssen den künftigen Bedarf antizipieren.“ Die Reduktion von CO2 etwa war im Jahr 2014 schon eine wichtige Ambition, steht doch der Schienenverkehr per se für nachhaltige Mobilität. Heute sei dies ein wichtiger Marktvorteil, so Tessier: „Wenn wir der Konkurrenz voraus sein wollen, müssen wir im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern einen Mehrwert bieten. Nachhaltigkeit und geringe Lebenszykluskosten sind dafür wichtige Argumente.“

Beim TGV der Zukunft bleibt zudem die Art und Weise, wie er entstand, für alle Beteiligten in positiver Erinnerung. Die zu Projektbeginn formulierten Innovationsziele und die Vorabverpflichtung der Partner zu deren Erreichung bedeuteten einen echten Durchbruch in der Entwicklung einer neuen Generation von Hochgeschwindigkeitszügen. Samuel Perrin wünscht sich, dass die neue Art der Zusammenarbeit im Open Space auch für künftige Projekte genutzt wird – für das Projekt TGV 2050 würde er sich dann schon mal anmelden wollen.

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