Truck Racing – pures Adrenalin und Diesel im Blut. Ein Interview mit Europameister Jochen Hahn über seine ungebrochene Leidenschaft zum Truck-Rennsport.
Motorsport XXL: Mit seinem Team wurde Jochen Hahn bei der European Truck Racing Championship (ETRC) schon fünfmal Truck-Racing-Europameister. Im Interview spricht er über die Faszination von Truck-Rennen, die entscheidende Rolle von Bremsen für den Erfolg auf der Rennstrecke und die langjährige Zusammenarbeit mit Knorr-Bremse.
Sie haben vor 20 Jahren das Lkw-Steuer von Ihrem Vater übernommen. War das der perfekte Einstieg, um beim Truck Racing an den Start zu gehen?
Viele Jungen wollen Feuerwehrmann oder Rennfahrer werden. Ich hatte das Glück, dass mein Vater diesen Traum auch hatte und ihn sich erfüllte, indem er 1997 begann, Truck-Rennen zu fahren. Von seinem ersten Tag an war das auch mein größter Wunsch, der im Jahr 2000 schlagartig Wirklichkeit wurde, als mein Vater verletzungsbedingt ausfiel und den Renn-Truck an mich übergab.
Hatten Sie zu diesem Zeitpunkt schon ausreichend Fahrerfahrung?
Ich konnte mit dem Truck ab 1998 auf dem Testgelände viele Proberunden fahren – wie unser Sohn Lukas, der dort seit zehn Jahren im Renn-Truck sitzt und dieses Jahr mit seinen 21 Jahren bei der European Truck Racing Championship auf dem Nürburgring erstmals an den Start geht. Insofern hatte ich reichlich Vorerfahrung und bin nicht ins kalte Wasser geworfen worden. Aber Training hat nichts mit echten Wettbewerben wie der Championship zu tun. Den Umgang damit muss man erst lernen. Man weiß am Anfang überhaupt nicht, wo man steht, hat wahnsinnig Respekt, ist voller Adrenalin und Aufregung.
Was macht für Sie den Reiz eines Renn-Trucks aus?
Ausschlaggebend ist seine Kraft. Unser Renn-Truck wiegt 5,3 Tonnen, hat 1.150 PS, fährt mit 6.000 Newtonmeter Drehmoment, beschleunigt von 60 auf 160 km/h in 6,5 Sekunden. Möglich wären Top-Speeds von 300 km/h. Wegen des hohen Gewichts sind aber maximal 160 km/h erlaubt. Sicherheit steht an erster Stelle. Daher hat die ETRC als einzige Rennserie weltweit eine Geschwindigkeitsbegrenzung.
Was hat Ihr Iveco noch mit einem normalen Lkw zu tun?
Es gibt viele Parallelen; zu 70 Prozent sind Serienteile verbaut. Dabei stammt nicht alles von einem Fabrikatstyp. Wie bei einem Puzzle picken wir das für uns am besten Passende aus einem Produktportfolio heraus. Für uns ist das die hohe Kunst bei Fahrzeugkonstruktion und -bau – auch im Hinblick auf das technische Equipment, bei dem wir ebenfalls viele Serienprodukte verwenden. Das macht die Zusammenarbeit für Hersteller wie Knorr-Bremse so interessant. Wir können unter härtesten Bedingungen sehr schnell Neuerungen erproben und Tests durchführen. 300 Kilometer auf der Rennstrecke entsprechen 50.000 auf der Straße; ein Bremssattel hat nach 500 Kilometern weitestgehend ausgedient. Bei jeder Partnerschaft geht es darum, das auszuschöpfen, was auf beiden Seiten für den Erfolg wichtig ist.
Wer geht in Produktfragen beim Truck Racing auf wen zu?
Wenn Knorr-Bremse ein neues Produkt hat, das für unsere Rennen von Vorteil sein könnte, bekommen wir es vorgeschlagen. Unser Ansprechpartner ist regelmäßig zu Besuch, um sich mit uns auszutauschen. Wir fragen aber auch, ob es in einem bestimmten Bereich Teile gibt, die wir beim Truck Race verwenden können. Die Partnerschaft mit Knorr-Bremse hat mit einem Bremsbelag angefangen. Aus dem wurde eine Bremsscheibe, aus der ein Bremssattel. Heute haben wir Zugriff auf das ganze Portfolio und auch auf das von Knorr-Bremse Tochtergesellschaften wie SteeringSystems für Lenkungen. Nach 15 Jahren Zusammenarbeit mit Knorr-Bremse ist das wie in einer Familie: Man hat eine Anforderung oder Idee und versucht, sie gemeinsam optimal umzusetzen.
Vermeintlich ist der Motor das Wichtigste, um auf Touren zu kommen. Aber beim Truck Race scheinen die Bremsen nicht weniger relevant zu sein.
Es geht beim Truck Race nicht nur darum, schnell zu fahren, sondern in bestimmten Passagen auf der Rennstrecke, z. B. in engen Kurven, auch schnell und auf den Punkt wieder abzubremsen. Insofern hat die Bremse einen ebenso großen Anteil wie der Motor. Wir hatten zum Glück Zeit, um uns sowohl beim Fahren als auch bei Konstruktion und Fahrzeugbau mit der Technik weiterzuentwickeln und zu reifen. Ich allein könnte im Übrigen diesen Erfolg nicht haben. In unserem zehnköpfigen Team hat daran jeder seinen Anteil. Denn wie bei einem Zahnrad muss alles zusammenpassen. Für mich sehr positiv ist, dass mein Vater, meine Frau und mein Sohn auch zum Truck-Race-Team gehören und ich sie immer im Hintergrund habe. Wir ergänzen und unterstützen uns als Familie sehr.
Welches Ziel haben Sie in der Truck-Race-Saison 2019?
Wir sind gut vorbereitet und haben im Winter mit allen Partnern Vieles weiterentwickelt. Die ersten Rennen waren entsprechend erfolgreich. Jetzt müssen wir Ruhe bewahren und kontinuierlich weiterarbeiten. Möglich, dass wir bei der diesjährigen European Truck Racing Championship den sechsten EM-Titel schaffen, was bisher noch keinem gelungen ist. Das wäre natürlich mein größter Wunsch. Am Ende des Tages zählen bei der ETRC aber auch andere Dinge wie ein Quäntchen Glück und Gesundheit.
Ist das Rennen auf dem Nürburgring für Sie ein Highlight?
Auf jeden Fall! Die Strecke selbst liebe ich. Außerdem sind beim Truck-Grand-Prix am Nürburgring wirklich alle da zum Anfeuern und Mitfiebern – Fans, Familie, Freunde, Bekannte, Partner. Auf uns als deutsches Team richten sich die Augen natürlich besonders. Mir persönlich bleibt dort deshalb oft wenig Zeit für Konzentrations- und Ruhephasen; zudem bedeuten diese Rahmenbedingungen für mich schon auch einen großen Leistungsdruck. Im Kopf müssen bei mir bei den Rennen dennoch absolute Klarheit und Konzentration herrschen, sonst brauche ich mich nicht dem Wettbewerb auf der Rennstrecke zu stellen.
Wann und wo laden Sie Ihre Batterien wieder auf?
Direkt nach dem letzten Truck Race der einen Saison sind schon wieder erste Vorbereitungen wichtig, um professionell in die nächste Saison zu gehen – egal ob in Sachen Fahrzeugneubau oder Fahrzeugoptimierungen. Unsere sechs Monate Winterpause sind, ehrlich gesagt, die stressigste Zeit. Im Sommer wird zwischen den Rennen zwar Service gemacht und gewartet, aber am Fahrzeug an sich wenig verändert. Da wir gerne reisen und mit fremden Leuten europaweit unterwegs sind, ist das bis auf die Wettkämpfe eher unsere lockere Phase.




Info
Knorr-Bremse als langjähriger Partner und Sponsor von Team Hahn Racing:
- Knorr-Bremse unterstützt das Trucksport-Team Hahn Racing seit 2001 – zunächst mit passenden Teilen für die Bremsanlage, dann auch als technischer Partner. 2003 wurde Knorr-Bremse offizieller Sponsor; für den Nachmarkt ist Knorr-Bremse TruckServices als zusätzlicher Sponsor seit 2016 mit an Bord.
- Bis auf die Wasserkühlung der Bremse werden Serienprodukte von Knorr-Bremse verbaut, darunter auch eine Lenkung von Knorr-Bremse SteeringSystems.
- Das Team Hahn Racing wird seit Jahren von einem „Renningenieur“ von Knorr-Bremse begleitet und mit dem Produkt- und System-Know-how des Unternehmens unterstützt.
- Extremsituationen wie beim Truck-Rennen können auf dem Prüfstand nur sehr schwer nachgestellt werden. Erkenntnisse aus den Truck Races werden daher bei Knorr-Bremse wiederum für die Serien(weiter)entwicklung genutzt. Insbesondere die enorme Hitzebelastung lässt beispielsweise Rückschlüsse auf Festigkeit und Temperaturbeständigkeit für Bremse, Beläge und Scheiben zu.
- 2019 wurde der Vertrag von Knorr-Bremse mit dem Team Hahn Racing um drei weitere Jahre verlängert – ein Beleg für das langjährig gewachsene Vertrauen und eine sehr freundschaftliche, verlässliche Beziehung.