Dr. Nicolas Lange – Geschäftsführer und Nachhaltigkeitschef für den Bereich Rail

Innovation: Müllvermeidung und Rohstoffeinsparung durch Recycling für Bremsklötze.
Als erste Firma hat Knorr-Bremse eine Möglichkeit entwickelt, abgefahrene Bremsklötze der Londoner U-Bahn (London Underground) zu recyceln. So werden viel Müll vermieden und Rohstoffe gespart.
Wir reden von 70 bis 80 Tonnen Rohmaterial, die wir jedes Jahr sparen könnten – und das nur bei einem einzigen Kunden“, sagt Dr. Nicolas Lange, Geschäftsführer und zugleich Nachhaltigkeitschef für den Bereich Systeme für Schienenfahrzeuge. Er hatte gemeinsam mit seinen Kollegen im Nachhaltigkeitskomitee von Knorr-Bremse die Idee, etwas voranzutreiben, was so noch niemand umgesetzt hat.

Test mit der London Underground
Als Testfall bot sich die London Underground an. Die Abteilung für Reibmaterial (Friction) von Knorr-Bremse liefert vom Standort Manchester aus sämtliche Bremsklötze an die U-Bahn mit dem größten Streckennetz in Europa und zwar alle vom Typ 697. „Es gibt eine Markierung auf den Klötzen, die zeigt, wann sie ausgetauscht werden müssen“, sagt Paul Eeles, Friction Products Business Development Manager in Manchester. „Der Betreiber baut neue ein, wenn noch 30 Prozent Restmaterial übrig sind.“
Recycling für Bremsklötze
Bisher landeten die alten Klötze auf der Mülldeponie. „Wir haben allerdings jetzt ein technisch recht aufwendiges Verfahren entwickelt, wie wir diesen Rest wiederverwerten können,“ so Eeles. Zunächst reißen große Schredderwalzen das tragende Rückenblech vom Bremsklotz-Rest ab. Das Reibmaterial kommt wieder zurück ins Werk, wird geschreddert und gemahlen. Das Pulver oder Granulat wird dann, mit dem normalen neuen Rohstoff gemischt, in einem Heißpressverfahren unter hohem Druck auf ein neues Rückenblech gebacken – fertig ist der Bremsklotz.

Leistung recycelter Bremsklötze muss einwandfrei sein
Klingt eigentlich ganz einfach. Aber das täuscht, wie Markus Seidl, Leiter Reibmaterial-Entwicklung, erläutert. „Das recycelte Material stellt ja einen eigenen Rohstoff dar. Im Engineering und Compounding* müssen wir dafür sorgen, dass der Klotz mit einem Anteil an recyceltem Material die gleiche Reib-Performance hat. Das Recycling darf die Bremsleistung nicht beeinträchtigen.“ Seidl vergleicht das aufwendige Verfahren mit einem Backrezept für einen Kuchen. „Wir mischen flüssiges Harz einem Reibpulver bei, da muss ich schon im Vorprozess eine homogene Knetmasse hinkriegen. Alle Stoffe müssen im Verbund gleichmäßig verteilt sein.“ Anschließend wird alles noch einmal gemahlen und granuliert, bevor das „Press and Cure“-Verfahren den fertigen Klotz hervorbringt. Pressformen drücken hierbei mit bis zu 600 Tonnen das Rohmaterial zusammen, das dabei je nach Rezept zwischen 10 und 40 Minuten bei rund 200 Grad aushärtet. Beim Recycling besteht die Herausforderung darin, einen Stoff, der schon einmal ausgehärtet war, perfekt in die Mischung einzubringen.
Tests mit wiederverwerteten Bremsklötzen in Manchester
Die Ingenieure testeten die Klötze nach ihren Rezepten auf dem Dynamometer-Prüfstand in Manchester, immer und immer wieder. Würden die recycelten Klötze den gleichen Bremsweg haben? „Wir hatten, gemeinsam mit den Kollegen in Manchester, eine ganze Latte von Engineering-Prozessen und Testloops zu bewältigen“, sagt Markus Seidl. „Aber nun, nach vielen Versuchen, haben wir ein perfektes Verfahren für einen recycelten Klotz inklusive Prüfbericht.“ Da trifft es sich gut, dass Manchester gemeinsam mit dem Reibmaterial-Standort Pamplona in Spanien eine neue Mischanlage in Betrieb nimmt. Dr. Nicolas Lange freut sich auf die anstehenden Praxis-Tests beim Betreiber.

„Wir haben uns mit den Innovationen im Wettbewerb deutlich nach vorne geschoben.“
Lohnt sich das Recycling der Bremsklötze auch wirtschaftlich?
„Natürlich war diese Entwicklung für uns mit Aufwand und Kosten verbunden.“ Aber schließlich spare der Betreiber die Entsorgungskosten und Knorr-Bremse den Kauf von neuen Rohstoffen. „Im Gesamtzyklus wird das Recycling der Bremsklötze für uns kostenneutral sein – und ein hervorragender Testfall mit großer Signalwirkung.“ Das Recycling-Konzept für die Bremsklötze der Londoner U-Bahn könnte, so Lange, durchaus auch für andere Kunden interessant sein, die sortenreine Klötze verwenden. „Wir haben uns mittlerweile mit den Innovationen in unserer Sparte Reibmaterialien im Wettbewerb deutlich nach vorne geschoben. Nachhaltigkeit ist ein weiteres gutes Argument.“
* Mischen von Rohstoffen für eine Rezeptur eines Bremsklotzes
