
Gelebte internationale Teamarbeit: eine Lokbremssteuerung für die ganze Welt.
Die Lokbremssteuerung CCB-3 bringt als Baukastensystem für verschiedene Märkte Fahrzeugbauern viele Vorteile. Ihre Entwicklung fordert von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Amerika, Europa und China vollen Einsatz und lösungsorientierte Strategien.
Aufgabe der Bremssteuerung CCB-3
Sie war ein Highlight auf der Leitmesse InnoTrans 2018: die Bremssteuerung CCB-3 für Lokomotiven, die sich an einem 2,20 Meter hohen Bildschirm drehen und, perfekt visualisiert, bis ins Detail erkunden ließ. Was ist ihre Aufgabe? „Wir geben, sehr vereinfacht gesprochen, Strom und 10-bar-Druckluft hinein, und heraus kommen verschiedene exakt geregelte Drücke“, erläutert Sebastian Louca, Teamleiter Brake Systems Family Engineering in München. „Sie sorgen nicht nur dafür, dass die Lok selbst immer zuverlässig bremst, sondern der gesamte Zug, durch den die Hauptluftleitung führt und alle Bremsen versorgt.“
Verschiedene Märkte mit verschiedenen Anforderungen
Die anschauliche Messe-Präsentation erlaubte einen Blick in die Zukunft. „Mit der CCB-3 wird es für Fahrzeugbauer deutlich einfacher, ihre Lokomotiven für verschiedene Märkte anzupassen“, sagt Louca. „Heute ist es für Firmen wie Siemens oder Bombardier relativ aufwendig, eine zum Beispiel für Europa gebaute Lok für die Eisenbahnnormen in anderen Regionen anzupassen.“ Momentan gibt es eine Vielfalt von Lok-Bremssteuerungssystemen für die verschiedenen Märkte weltweit:
- CCBII (Computer Controlled Brake II) für die Märkte Nordamerika, Australien und China
- MBS (Modulares Bremssystem) für Europa
- BP Compact (Kompakte HL-Steuerung) für Märkte in Europa und Russland
- CCBII-IR (Computer Controlled Brake II – Indian Region) für den Einsatz im indischen Markt
Die Systeme unterscheiden sich sowohl in den Funktionalitäten als auch in der Größe der Einbauräume und bei den Schnittstellen zu anderen Systemen. Dennoch sind die Hauptaufgaben einer Lokbremssteuerung im Prinzip überall ähnlich.
Einheitliche Lokbremssteuerung für verschiedene Normen und Standards
Daher erscheint die Idee einer einheitlichen Bremssteuerung für Lokomotiven, die sich für verschiedene Standards gleichermaßen eignet, naheliegend. „Diese Aufgabe ist allerdings zugleich extrem komplex“, erläutert Felix Reiss, Teamleiter Electronic Systems Engineering Network Brakes. „Deswegen haben wir ein intelligentes Baukastensystem entwickelt, mit dem wir sowohl die verschiedenen Normen der Märkte als auch die spezifischen Wünsche unserer Kunden erfüllen können.“ Zunächst stehen die Varianten für die Märkte in Amerika und China auf dem Programm, in denen die so genannten AAR-Normen eingehalten werden müssen, sowie die Varianten für Europa, in denen wiederum die UIC-Normen gelten. Bei der Umsetzung dieses ersten großen Teilprojekts spielt Knorr-Bremse eine besondere Stärke aus: die intensive standortübergreifende Zusammenarbeit von Kolleginnen und Kollegen aus Europa, Amerika und China sowie die Koordination der Teams auf den verschiedenen Kontinenten. „Rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ganz oder teilweise eingebunden“, sagt Reiss. „Die Zeitverschiebung ist in solch internationalen Projekten immer eine der dauerhaften Challenges.“
Info

Eine für alle Normen – vier Vorteile der CCB-3:
Ein Einbaurahmen:
Die Bremssteuerung einer Lokomotive mit CCB-3 muss nicht mehr umgebaut werden, wenn sie in einem Markt mit anderen Normen verkauft werden soll.
Standardisierte Module:
Die einzelnen Baugruppen lassen sich schnell einsetzen. Ihre Funktionalitäten sind für die Märkte angepasst. Die Schnittstellen der Bremse zur Lokomotive bleiben gleich.
Hightech-Konstruktion:
Ausgeklügelte Systemarchitektur, neueste elektronische und mechatronische Bauteile sowie die neue Knorr-Bremse Elektronikplattform bieten das Beste aus allen Welten.
Zuverlässigkeit:
Die CCB-3 wird für Betreiber noch einmal deutlich zuverlässiger sein als die bewährten Vorgängersysteme.

Alle Kollegen zeichneten sich durch eine unglaubliche Passion aus.
Sebastian Louca – Team Leader Brake Systems Family Engineering
Herausforderungen in der Entwicklung
Vor allem aber aus technischer Sicht gibt es jede Menge Herausforderungen: die Entwicklung der einzelnen Module, Umstellung auf die neuesten Technologien und auf die neueste Knorr-Bremse Elektronikplattform. Die härtesten Nüsse sind dabei oft bei der Anpassung von Software auf eine neue Hardware zu knacken. „Vor Kurzem hatten wir zum Beispiel einen Druckregler-Algorithmus in eine neue Elektronik-Hardware zu integrieren, dessen Firmware, die Steuerungssoftware des Druckreglers, ständig aktualisiert wurde.“ Das Framework kam aus Amerika, die Software aus Europa. „Wir wurden immer wieder zurückgeworfen, weil hier im Zusammenspiel irgendetwas nicht funktionierte. Aber alle Kollegen, ob in Amerika, in England, Deutschland, Ungarn oder China, waren unglaublich engagiert und ständig miteinander in Kontakt, um Lösungen zu finden – per Telefon, E-Mail, Skype oder wenn nötig auch persönlich vor Ort.“ Schließlich, so Louca, haben sie mithilfe des Entwicklerteams in Budapest alles erfolgreich integriert – „ein richtig guter Job!“
Das internationale Team wächst durch jeden Meilenstein zusammen
Konstantinos Vilaetis, Technical Leader der AAR-Variante bei der amerikanischen Tochtergesellschaft New York Air Brake, ist ebenfalls beeindruckt, dass die Teams trotz aller Unterschiede hinsichtlich des kulturellen und technischen Backgrounds so gut zusammenarbeiten. „Das waren für den ersten Prototyp, der alle Module des AAR-Marktes integriert, das Mechatronik-Team und das CCB-3-Designer-Team in München, das IST-Team in Budapest, das TCI-Team Indien, die globalen CBK- und IBC-Teams und das CID-Team Melksham. Jeder erreichte Meilenstein brachte uns einander näher.“ Diese Alltagshürden seien ja noch vergleichsweise klein, sagt John Laduc, der verantwortliche Systemarchitekt für CCB-3. Denn Mitte 2018 brachte China mit einem Paukenschlag die Planung gehörig durcheinander.

Taskforce: neues Konzept in einer Woche
Völlig überraschend wurden die Normen der Lokbremssysteme für den chinesischen Markt geändert. Das war für den Wunsch, 2019 einen Feldversuch mit einem Prototypen-Fahrzeug in China zu starten, keine gute Nachricht. Aber das Team reagierte sofort. „Wir haben innerhalb kürzester Zeit eine Taskforce zusammengestellt“, berichtet Laduc. Experten aus München, aus den USA und aus China trafen sich am Standort Suzhou und schlossen sich eine Woche lang in einen Projektraum ein. Das Ergebnis: ein angepasstes Systemkonzept für den chinesischen Markt. Es erfüllt die erforderlichen Normen und ist zugleich mit vertretbarem Aufwand entstanden – unter Verwendung der neuen Module, Technologien und Bausteine, die für die AAR- und UIC-Standards schon entwickelt wurden. Seither steht die chinesische Variante der CCB-3 ganz oben auf der Prioritätenliste. Der neue Projektleiter für die Lokbremssteuerung in China, Michael Urbatzka, und Wolfgang Straube, Head of Systems Engineering, treiben in enger Kooperation mit den anderen Standorten die Arbeit voran. „Wir führen intensive Gespräche mit der staatlichen Eisenbahngesellschaft China Railway, die für die Normen zuständig ist.“ Falls mit der Zertifizierung alles klappt, legt China Railway auch fest, mit welchen Fahrzeugbauern Knorr-Bremse für eine Erprobung zusammenarbeiten wird. John Laduc sieht das große Vertrauen, das Knorr-Bremse in China über viele Jahre aufgebaut hat, als gute Basis. „Wir sind Spezialisten darin, auch unter schwierigen Marktbedingungen erfolgreich zu sein. Hierfür tun wir auch sehr viel.“
